Rückt die Umsetzung der im Jahr 2015 beschlossenen Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung angesichts der globalen Krisen und Konflikte immer weiter in die Ferne? Nicht wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht. Diese hat am 30. November 2022 per Kabinettsbeschluss die Bedeutung der Agenda mit ihren globalen Nachhaltigkeitszielen – besser bekannt als Sustainable Development Goals (SDGs) – als Antwort auf die derzeitigen überlappenden ökologischen, ökonomischen, sozialen und politischen Herausforderungen untermauert. Alle Akteurinnen und Akteure unserer Gesellschaft sind dabei gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Auch im Bereich Bildung gibt es innovative Ansätze, die Nachhaltigkeitsziele mitten in der Gesellschaft zu verankern und Kinder und Jugendliche zu einem zukunftsfähigen Handeln zu befähigen. Dafür stehen beispielsweise die beiden Wettbewerbe, mit denen Engagement Global sich an junge Menschen richtet.
Frau Viehoff-Heithorn, „alle für EINE WELT für alle“: Das ist nicht nur der Grundgedanke der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, sondern auch des Schulwettbewerbes zur Entwicklungspolitik. Sie richten diesen alle zwei Jahre aus. Worum geht es genau, und wer kann teilnehmen?
Den Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik gibt es bereits seit 2003. Er wird von Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ausgerichtet. Ziel ist es, Themen der nachhaltigen globalen Entwicklung in die Schule zu tragen. Teilnehmen können Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen und Schulformen aus ganz Deutschland sowie von offiziellen deutschen Auslandsschulen. Das konkrete Thema und die Ausgestaltung des Wettbewerbsbeitrages können die Teilnehmenden frei wählen; es muss jedoch ein klarer Bezug zu globalen Fragestellungen und zum übergreifenden Thema der aktuellen Wettbewerbsrunde erkennbar sein. In der Wettbewerbsrunde 2021/2022 lautete dieses: „Der Countdown läuft: Es ist Zeit für Action!“ Das war verknüpft mit dem Arbeitsauftrag, sich mit der Erreichbarkeit der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2030 auseinanderzusetzen.
Warum ist die Agenda 2030 mit den SDGs denn Ihrer Meinung nach so ein wichtiges Leitbild für junge Menschen?
Durch den Schulwettbewerb möchten wir Schülerinnen und Schüler dazu anregen, sich intensiver mit dem Leitbild einer nachhaltigen globalen Entwicklung und ihrem eigenen Beitrag dazu auseinanderzusetzen. Im Kern geht es darum, dass Kinder und Jugendliche im Bildungsprozess die Kompetenzen erwerben, die sie benötigen, um sowohl beruflich als auch privat eine zukunftsfähige Welt mitgestalten zu können. Eine solche Bildung für nachhaltige Entwicklung möchten wir durch den Wettbewerb und weitere Aktivitäten auch an Schulen und im deutschen Bildungssystem etablieren.
Welche Themen stecken hinter den globalen Nachhaltigkeitszielen, von denen Kinder und Jugendliche besonders betroffen sind?
In Bezug auf die SDGs können ganz unterschiedliche Fragestellungen in den Blick genommen werden: von der Bekämpfung des Klimawandels über faire Lieferketten bis hin zur weltweiten Lage in puncto Demokratie und Menschenrechte. Bei einigen dieser Themen, zum Beispiel dem Klimawandel, ist vielen Kindern und Jugendlichen in Deutschland schon heute deutlich bewusst, dass die Folgen sie im Laufe ihres Lebens persönlich betreffen werden – etwa durch Extremwetterereignisse, aber auch durch die wirtschaftlichen Auswirkungen, die damit einhergehen. Oder nehmen wir das Beispiel Kinderrechte: Bedingt durch die Coronapandemie, ist auch hier in Deutschland der Stellenwert des Rechts auf Bildung und der gesellschaftlichen Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Denn es wurde deutlich, dass die Verwirklichung dieser Rechte leider nicht immer selbstverständlich ist. Eine solche Erfahrung wirft die Frage danach auf, wie es eigentlich Kindern und Jugendlichen anderswo geht, ob sie Bildungschancen wahrnehmen und sich entfalten können oder nicht. Dadurch entwickeln junge Menschen die Empathie und Solidarität, die wir zur Lösung globaler Fragestellungen so dringend benötigen.
Wichtig ist es, angesichts der globalen Herausforderungen nicht den Mut zu verlieren, sondern eine handlungs- und lösungsorientierte Sichtweise zu entwickeln. Die Schülerinnen und Schüler sollen Möglichkeiten identifizieren, wie sie selbst einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung leisten können, etwa indem sie sich über faire Konsumalternativen informieren. Auch beim Blick in den Globalen Süden gilt: Die Sichtweisen und Handlungskompetenzen der Menschen, die dort leben, gehören in den Mittelpunkt. Denn die SDGs können nur erreicht werden, wenn Menschen weltweit zusammenarbeiten.
Als Begleitmaßnahme zum Schulwettbewerb wird auch ein Song Contest veranstaltet. Die Gewinnerinnen und Gewinner erhalten ein professionelles Coaching und eine Studioaufnahme ihres Songs und als Hauptpreis sogar einen Videodreh. Wie werden Interessierte zu musikalischen Botschafterinnen und Botschaftern für die EINE WELT?
Mit dem Song Contest suchen wir mitreißende Botschaften für die EINE WELT, verpackt in selbst geschriebene und selbst komponierte Songs. Mitmachen kann jede und jeder zwischen 10 und 25 Jahren aus Deutschland oder einem Land des Globalen Südens – egal ob allein, als Band oder als Chor, in der Schule oder in der Freizeit. Die Songs können ganz einfach per Upload auf der Website des Song Contests eingereicht werden. Die 15 Songs, die die Jury am meisten überzeugen, werden professionell in einem Studio aufgenommen und auf dem EINE WELT-Album veröffentlicht. Außerdem gibt es mehrere Sonderpreise, die einen Geldpreis und teilweise auch eine Platzierung auf dem Album umfassen, sowie Geldpreise für die Top 5. Für den erstplatzierten Song wird außerdem ein professionelles Musikvideo gedreht, und er erhält als EINE WELT Song eine besondere Botschafterfunktion im Rahmen der Wettbewerbe. Denkbar sind beispielsweise Auftritte auf Veranstaltungen rund um die Themen EINE WELT und nachhaltige Entwicklung oder auch Interviews in unterschiedlichen Medien. Eine Message für die globale nachhaltige Entwicklung also, die tatsächlich gehört wird. Denn darum geht es letztlich bei den Bildungsprogrammen von Engagement Global: Kindern und Jugendlichen in Bezug auf Zukunftsthemen handlungsfähig zu machen und ihnen eine Stimme zu geben.