Der DigitalPakt Schule ist eigentlich eine gute Idee: Der Bund stellt Fördermittel zur Verfügung, um die längst überfällige Digitalisierung von Schulen voranzubringen. Während der Pandemie ist das Fördervolumen von ursprünglich 5 Milliarden Euro auf inzwischen 6,5 Milliarden Euro angewachsen. Eine stattliche Summe, mit der sich einiges machen ließe. Doch der Konjunktiv verrät auch gleich das größte Problem: Die Mittel werden einfach nicht abgerufen.
Zweimal im Jahr veröffentlicht das Bundesbildungsministerium Zahlen zum Mittelabfluss. Bei der letzten Erhebung Ende 2021 waren nicht einmal 20 Prozent des Geldes aus dem DigitalPakt Schule tatsächlich bei den Schulen angekommen. Fast vollständig ausgegeben sind lediglich die Mittel aus dem 1,5 Milliarden starken Sofortausstattungsprogramm, das in der Pandemie auf das ursprüngliche Basispaket aufgesattelt wurde. Mit dem Sofortausstattungsprogramm konnten die Schulen Leihgeräte für Lehrkräfte und Schüler:innen anschaffen. Die Abflüsse aus dem 5-Milliarden-Euro-Basispaket aber stocken. Dabei benötigen die Schulen das Geld dringend. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?
Zu langsam, zu bürokratisch, zu kompliziert
Wenn man Schulen, Schulträger oder Kommunen fragt, ist die Antwort fast einhellig: Zu kompliziert und zu bürokratisch seien die Verfahren für den Abruf der Mittel. Und zu langsam seien die Bewilligung von Fördermaßnahmen und der Mittelabfluss. Aber das soll sich nun ändern, versicherte jedenfalls Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) schon im Januar dieses Jahres: „Komplizierte Anträge etwa sind kontraproduktiv, besser wäre ein knappes Standardverfahren“, sagte sie gegenüber dem „Handelsblatt“.
Diese Forderung steht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag der rot-grün-gelben Bundesregierung. Auch dort ist von Beschleunigung und Entbürokratisierung die Rede – und vor allem davon, den DigitalPakt zu verstetigen: „Gemeinsam mit den Ländern werden wir einen Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg bringen, der einen verbesserten Mittelabfluss und die gemeinsam analysierten Bedarfe abbildet“, heißt es in der Vereinbarung.
Die Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler sind auch mit Blick auf die Digitalisierung sehr ungleich.
Michael Wrase, Professor für Öffentliches Recht, Uni Hildesheim
Aber wie muss nachgesteuert werden, damit der DigitalPakt 2.0 effektiver ist? Zu diesem Thema hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Studie in Auftrag gegeben, die die Umsetzung des bisherigen DigitalPakts Schule untersucht hat. Die Ergebnisse der Studie mit dem Titel „Umsetzung des Digitalpakts 2022“ sind ernüchternd: Ein Monitoring fehle, die Abstimmungsprozesse zwischen den Verwaltungsebenen seien teilweise intransparent, und es gebe keinen ausreichenden IT-Support. Michael Wrase, Professor für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Sozial- und Bildungsrecht an der Universität Hildesheim und am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, hat die Studie geleitet. Und festgestellt, dass die Probleme bei der Umsetzung des DigitalPakts dazu führen, dass die Mittel nicht immer bedarfsgerecht verteilt wurden, mit der Folge, dass „die Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler auch mit Blick auf die Digitalisierung sehr ungleich sind“.
Schulen in kritischer Lage profitieren weniger vom DigitalPakt
Der Wissenschaftler hat mit seinem Team in sieben Bundesländern untersucht, wie der DigitalPakt Schule umgesetzt wird und wie die verschiedenen Steuerungsebenen – von der einzelnen Schule über den Schulträger bis zu Land und Bund – zusammenarbeiten. Dabei hat das Studienteam große Unterschiede festgestellt. Ob die Digitalisierung an einer Schule vorankomme oder nicht, hänge vor allem von der Finanzlage der jeweiligen Kommune ab und davon, ob es an einer Schule digitalaffine Lehrkräfte gebe.
Wenn die Mittel aus dem DigitalPakt 2.0 verteilt werden, müssen diese insbesondere an die bisher benachteiligten Schulen fließen
Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandmitglied
In der Konsequenz sind Schulen in kritischer Lage oft schlechter gestellt, so das Ergebnis der Studie. Die GEW fordert daher ein Umdenken, wenn der DigitalPakt Schule nun weitergeführt wird. „Wenn die Mittel aus dem DigitalPakt 2.0 verteilt werden, müssen diese insbesondere an die bisher benachteiligten Schulen fließen“, unterstreicht GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze bei der Vorstellung der Studie. Damit das gelingt, müssten stärker als bisher die sozialen Kriterien und die finanzielle Situation der jeweiligen Kommune berücksichtigt werden, anstatt die Mittel nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen.
Auch nach mehr als drei Jahren ist der DigitalPakt nicht evaluiert
Außerdem müsse der jeweilige digitale Entwicklungsstand einer Schule berücksichtigt werden. Schulen, die schon vor der Einführung des DigitalPakts ihre digitale Entwicklung vorangetrieben hätten, profitierten von den Mitteln ungleich stärker und seien viel eher in der Lage, auf sie zurückzugreifen, als Schulen, die noch am Anfang ihres Digitalisierungsprozesses stünden. „Die Forschung hat gezeigt, dass eine gezielte Förderung gerade von digitalen ,Nachzügler‘-Schulen dringend erforderlich ist“, so Michael Wrase.
Daher empfiehlt er, die Schulen nicht nur mit entsprechenden Geräten auszustatten, sondern sie vor allem in ihren digitalen Schulentwicklungsprozessen zu stärken und zu begleiten. „Der Entwicklung und (Weiter-)Vermittlung von Kompetenzen zur Mediennutzung im Unterricht und Schulalltag sollten hierbei eine zentrale Bedeutung zukommen“, fordert er. Konkret meint er damit die Erarbeitung nachhaltiger Digitalkonzepte und entsprechende Fortbildungen.
Und noch einen Punkt mahnt die Studie an: Ursprünglich hatten sich Bund und Länder dazu verpflichtet, jährlich einen zusammenfassenden Fortschrittsbericht mit allen gesammelten Informationen zu veröffentlichen. Einen Bericht zum Mittelabfluss gibt es zwar regelmäßig, eine wissenschaftliche Evaluation aber fehlt bis heute.
- Der DigitalPakt Schule hat eine Laufzeit von 2019 bis 2024. Er soll bis 2030 verlängert werden.
- Die Fördersumme beträgt inzwischen 6,5 Milliarden Euro.
- Förderfähig ist die digitale Infrastruktur von Schulen. Dazu gehören Netzanbindung, Serverlösungen, WLAN, digitale Endgeräte, Smartboards und IT-Support.