Wunsch und Wirklichkeit klaffen im Alltag von Schulleiter:innen weit auseinander. Für die Schulentwicklung bleibt angesichts der vielen Verwaltungsaufgaben und wachsender Personalknappheit nur wenig Raum. Insbesondere die Coronapandemie hat dieses Problem weiter verschärft und fordert viele Schulleitungen deutlich über ihre Belastungsgrenzen hinaus.
Welche Auswirkungen das hat, zeigt eine Schulleitungsstudie, die das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) im Auftrag des Cornelsen Verlags durchgeführt hat. Für die im März 2022 vorgestellte Studie wurden 2021 mehr als 1.000 Schulleiter:innen danach befragt, was sie beschäftigt, wie es um ihre Arbeitszufriedenheit steht und was sie sich wünschen.
Dabei steht auf der Prioritätenliste weit oben: mehr Zeit für die Schulentwicklung. Der Hälfte der Schulleiter:innen bleiben pro Woche aber maximal drei Stunden, um sich mit Themen rund um die Schulentwicklung zu befassen. Mit administrativen Aufgaben verbringen sie hingegen mehr als zehn Stunden. Daher wünscht sich auch mehr als jede zweite Schulleitung eine Entlastung bei administrativen Aufgaben, und 70 Prozent der Befragten sprechen sich sogar für eine Doppelspitze aus, also einer administrativen und einer pädagogischen Schulleitung.
An jeder vierten Schule ist eine Stelle in der Schulleitung unbesetzt
Doch das erscheint angesichts des dramatisch wachsenden Personalmangels zumindest für die kommenden Jahre unrealistisch. Denn nicht nur viele Lehrer:innenstellen können nicht mehr – oder nur noch mit Quereinsteiger:innen – besetzt werden. Auch immer mehr Schulleitungsposten sind vakant: An etwa jeder vierten Schule war 2020 die Stelle der Schulleitung oder Stellvertretung nicht regulär besetzt. Das ist das Ergebnis des Deutschen Schulbarometers von 2021. Besonders betroffen sind davon die Grundschulen. Und angesichts der anstehenden Pensionierungswelle wird die Zahl der unbesetzten Schulleitungsposten voraussichtlich noch weiter steigen.
Das trägt nicht gerade zur Motivation von Schulleitungen bei und mindert außerdem die Attraktivität, überhaupt Schulleiterin oder Schulleiter zu werden. Wie eine Studie zu Karrieren von Schulleitungen in Deutschland von 2020 zeigt, denken 20 Prozent der Schulleitungen darüber nach, ihre aktuelle Schule zu verlassen, den Arbeitsplatz und manchmal sogar den Beruf zu wechseln. Anzunehmen ist, dass während der Coronapandemie die Zweifel noch zugenommen haben, weil auch die Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften und Schulleitungen in dieser Zeit deutlich gesunken ist. Das wiederum macht die Längsschnittstudie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) deutlich. Während dort 2019, also noch vor der Pandemie, 58 Prozent der befragten Schulleiter:innen sagten, sie würden ihren Beruf sehr gern ausüben, waren es im November 2021 nur noch 30 Prozent.
Bildungsgerechtigkeit als zentrale Aufgabe
Auch die Cornelsen-Studie spiegelt diese große Unzufriedenheit bei Schulleitungen wider. Zum Befragungszeitpunkt im Herbst 2021 schauten demnach 72 Prozent der Schulleitungen unzufrieden auf die zurückliegenden zwölf Monate. Erstaunlich aber ist, dass sich gleichzeitig jede zweite Schulleitung zu dieser Zeit optimistisch zeigte, was die Weiterentwicklung ihrer Schule in Zukunft anbelangt.
Was zunächst wie ein Widerspruch klingt, lässt sich damit erklären, dass die größte Motivation, Schulleiterin oder Schulleiter zu werden, darin besteht, neue Ideen zu entwickeln. Und trotz aller Widrigkeiten lassen sich viele Schulleitungen von diesem Vorhaben offenbar nicht abbringen. So waren in der Cornelsen Schulleitungsstudie 80 Prozent der Befragten der Ansicht, dass sich Schulleitungen auf die Strategie- und Unterrichtsentwicklung und den Lernerfolg der Schüler:innen konzentrieren sollten. 97 Prozent nannten das Erreichen von Bildungsgerechtigkeit als zentrale Aufgabe. Um das zu erlangen, zeigte sich die Mehrheit der Befragten offen gegenüber strukturellen Veränderungen, zum Beispiel auch der Anpassung des althergebrachten Fächerkanons.
Schulleiter:innen wünschen sich mehr Autonomie
Aber wie können Schulleitungen solche Entwicklungen trotz der hohen Belastungen im Schulalltag umsetzen? Auch dafür nennen die befragten Schulleiter:innen neben der Entlastung von administrativen Aufgaben weitere konkrete Forderungen: So hätten die meisten Schulleiter:innen gern mehr Autonomie – vor allem bei der Gestaltung der schulischen Bildung, aber ebenso bei der Mittelvergabe und bei der Auswahl des Personals.
Und auch die Weiterbildung ist ein wichtiges Thema für die Zukunftsfähigkeit. So wünschen sich 72 Prozent der Schulleitungen mehr Weiterbildungsmöglichkeiten für das Kollegium. Und 96 Prozent würden sich gern selbst regelmäßig weiterbilden, um Inspirationen zu bekommen und um ihrer Rolle noch besser gerecht zu werden.
Klare Vorstellungen, wie Schule erfolgreicher arbeiten kann, haben Schulleitungen also durchaus. Jetzt kommt es darauf an, ihnen für die Umsetzung die nötige Unterstützung zu geben. „Sollen Schulleitungen Lernräume öffnen und die Bildungsinstitution Schule pädagogisch gestalten, dann müssen ihnen dafür auch die notwendigen Strukturen und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden“, sagt Bildungsforscher Klaus Hurrelmann, der die Cornelsen Schulleitungsstudie geleitet hat.
Eine solche Unterstützung ist auch deshalb nötig, damit nicht noch mehr Schulleiter:innen das Handtuch werfen und sich neu orientieren. Denn wenn eine Schulleitung fehlt, habe das oft verheerende Folgen, schreiben die Bildungsforscher Marcus Pietsch und Pierre Tulowitzki in einem Gastbeitrag für das Deutsche Schulportal: „Wie wichtig Schulleitungen für den Erfolg von Schulen sind, zeigt sich häufig auch erst dann, wenn sie nicht mehr da sind.“ Es könne mehrere Jahre dauern, bis sich eine Schule von dieser Veränderung erholt, und diese Zeit sei mit einer enorm hohen Belastung für das Kollegium verbunden – was wiederum zu noch mehr Unzufriedenheit an Schulen führen kann.
Aktuelle Studien zum Thema
- Schulleitungsstudie im Auftrag von Cornelsen, 2022: Zusammenfassung
- „Karrieren von Schulleitungen in Deutschland“, 2020: Kurzbericht
- „Die Schule aus Sicht der Schulleiterinnen und Schulleiter“, 2021: zu den Ergebnissen