ZEIT für die Schule
Drei Schüler zeigen stolz ihre Roboter
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Interview

Herr Leimbach, was genau ist Open Roberta?
Roberta ist eine Initiative des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, die 2002 gegründet wurde. Dieses Projekt wurde über die letzten fünfzehn Jahre weiterentwickelt. Open Roberta ist eines der Ergebnisse aus dieser Weiterentwicklung: Eine browserbasierte Programmierumgebung für jedermann. Man benötigt lediglich einen Computer mit Internetbrowser und schon kann man mit dem Programmieren beginnen. Da Open Roberta eine Cloud-Lösung ist, und keine herkömmliche Software, entfallen lästige und aufwendige Aktualisierungen. Auch das Betriebssystem des Computers spielt keine Rolle, da Open Roberta im Internetbrowser läuft. Bei Roberta schulen wir auch Lehrkräfte, welche dann Kurse für ihre Schülerinnen und Schüler geben können. Wir stellen dafür die Arbeitsmaterialien und bieten in regionalen Netzwerken Austauschmöglichkeiten für Lehrkräfte untereinander.

Portrait von Thorsten Leimbach
© Fraunhofer IAIS

Seit 2006 ist Thorsten Leimbach für das Fraunhofer IAIS tätig. Kennen­gelernt hat er das Institut bereits drei Jahre zuvor, als er dort ein Praktikum im Bereich Erkundungs­robotik absolvierte. Schon damals fasziniert von den praktischen Anwendungs­möglichkeiten, ist Leimbach von 2014 an maßgeblich an der Entwicklung der Programmier­umgebung „Open Roberta Lab“ und der Fraunhofer-Programmier­sprache „NEPO“ beteiligt. Seit 2017 verantwortet er den Bereich Educational Learning, dem auch die Roberta-Initiative angehört. Thorsten Leimbach hat Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg studiert und absolvierte seinen Master of Business Administration an der RWTH Aachen. Er ist Autor mehrere Artikel und Bücher zum Thema Educational Robotics.

Programmieren wird zum Kinderspiel, so heißt es – wie werden die Grundlagen konkret vermittelt?
Zum Roberta-Konzept gehört es, dass wir immer einen Roboter oder ein Hardware-System verwenden. Kinder und Jugendliche sollen real existierende Roboter­systeme programmieren. Die Programmier­sprache dafür, die wir „Nepo“ nennen, ist grafisch aufgebaut. Man hat Blöcke, die man miteinander kombinieren kann. Diese nennen sich beispiels­weise „Fahre vorwärts“, „Drehe“ oder „Zeige Text“. Das Programm ist wie ein Bausatz. Das können selbst Grundschul­kinder in wenigen Minuten verstehen, weiter­entwickeln und so ihren Roboter programmieren und zum Leben erwecken.

Was wäre eine typische Anwendung oder ein Programm, das sich „kinderleicht“ mit Open Roberta programmieren lässt?
Zum Beispiel ein realer Roboter, der sich bewegt und auf Klatschen reagiert oder die Sonnen­einstrahlung bemerkt. Das ist fast wie ein kleines Lebe­wesen. Das kommt bei Kindern natürlich sehr gut an.

Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Lehrkraft, die noch nie mit Programmier­sprachen in Berührung gekommen ist. Wie würden Sie diese didaktisch vorbereiten und mit dem nötigen Knowhow zur Grundlagen­vermittlung ausstatten?
In zwei­tägigen Schulungen vermitteln wir die Grund­lagen der Hard- und Software – also die des Roboters, aber auch die Grund­lagen der Programmierung. Praxis­blöcke sind direkt und immer wieder anwendbar. Am Schluss der Schulung denken sich Lehr­kräfte selbst Aufgaben aus, sodass sie direkt ein Gefühl dafür bekommen: Wie komplex kann ich Aufgaben stellen? Wie lange dauert das? Parallel dazu haben wir eigene Lehr- und Lern­materialien, welche die Schulung begleiten. Darüber hinaus gibt es auf unserer Website roberta-home.de künftig Online-Tutorials, die den Lehrkräften genau vermitteln, wie sie Kinder für Roberta und die MINT-Fächer begeistern können.

Screenshot Open Roberta Lab 2017
© Frauenhofer IAIS

In welchem Rahmen kann Open Roberta stattfinden – innerhalb des Sachkunde­unterrichts oder als Projekt außerhalb des regulären Stundenplans?
Beides ist möglich. Jetzt gerade hat die gemeinnützige GmbH Calliope, einen Mini-Computer für Bildungs­zwecke herausgebracht, mit dem direkt in den Grundschul­fächern gearbeitet wird, sowohl im Sachkundeunterricht als auch in der Mathematik und in Deutsch. Darüber hinaus empfehlen wir aber auch AGs oder Projekt­wochen, in denen man als Lehr­kraft ein Gefühl dafür bekommt, wie viele Kinder gleichzeitig damit arbeiten können und wie viel Zeit Aufgaben oder Experimente brauchen. Zudem kann man direkt an Wettbewerben teilnehmen, das geht mit Open Roberta und den eingesetzten Robotern ganz wunderbar.

Welche Materialien werden dafür benötigt und wo bekommen die Schulen sie her?
Die Zusammen­arbeit mit den jeweiligen Ministerien wäre ein erster wichtiger Schritt. In einigen Bundes­ländern gibt es Initiativen, die sich darum kümmern – in Schleswig-Holstein beispiels­weise stellte das Landes­bildungs­ministerium für 120 Schulen Roboter zur Verfügung. In Berlin wurden in Kooperation mit Calliope und dem Förderpartner Google sowie mit dem Berliner Senat 100 Grundschul­lehrkräfte fortgebildet und jeweils mit einem Klassen­satz des Mini-Computers Calliope mini ausgestattet. Es gibt aber auch Eltern­initiativen, Förder­vereine und lokale Stiftungen, welche die Schulen unterstützen, um die benötigte Hardware zu erlangen.

Ist es in der heutigen Zeit noch nötig, Mädchen anders als Jungen für Technik zu begeistern?
Ja, das ist es. Das hat sich schon angeglichen aber der Ansatz, wie man mit Technik umgeht und was einen daran begeistert, ist weiterhin unterschiedlich. Beispiels­weise können Sie mit einem Rennauto Mädchen nur schwer überzeugen. Wenn man aber Beispiele aus der Biologie nimmt, etwa wie Bienen miteinander kommunizieren, wie diese ihr Futter finden und die Erkenntnisse auf Roboter übertragen, sind auch die Mädchen dabei. Oder aber man lässt einen Roboter ein Labyrinth erkunden oder den Feuchtig­keits­gehalt der Erde messen – das sind Themen, die Mädchen und Jungen gleicher­maßen interessieren. Uns ist es wichtig, dass wir in unseren Schulungen die Lehr­kräfte dafür sensibilisieren, die Ansprache und die Experimente so zu wählen, dass beide Geschlechter erreicht werden.

Schülerin am Computer
© Fraunhofer IAIS

Die Zukunft ist digital, so weit, so gut – aber inwiefern öffnet ein Projekt wie Open Roberta die Tür zu eben jener Zukunft?
Zum einen ist es der Faktor Spaß. Wir vermitteln Technik und Natur­wissenschaften, indem wir zeigen: Es ist wirklich leicht. Man muss kein besonderes Ass sein, ganz gleich, ob Mädchen oder Junge. Technik oder Programmierung dienen dabei nicht als Selbst­zweck. Die Kinder programmieren etwas, das eine sinn­volle Tätigkeit ausübt. Ich schaue mir zum Beispiel an, wie ein Labyrinth aufgebaut ist oder wie Gangarten funktionieren und versuche, das dann auf die Technik zu übertragen. Oder ich löse ein konkretes Problem: Ich vergesse, mich in der Sonne einzucremen. Dann programmiere ich meinen Calliope so, dass er mich daran erinnert. Wenn man es schafft, dass sich junge Menschen zum einen das Selbst­konzept „Wenn ich will, kann ich das“ aneignen und sehen, dass Programmieren nicht nur etwas für Experten ist, dann sind die ersten Schritte getan, dass man vom Anwender der digitalen Welt zum Gestalter wird. Motivation und Spaß sind die ersten wichtigsten Schritte.

Warum ist digitale Bildung schon für Kinder so wichtig und welchen Beitrag leistet Open Roberta dabei genau?
Im spielerischen Umgang wird die Fähigkeit geschult, Probleme strukturiert zu lösen. Das macht letztlich das Programmieren aus. Dass man ein Problem, eine Heraus­forderung nimmt, sich ihr stellt, zerlegt und strukturiert löst, testet und wieder modifiziert. Wenn das Ganze in ein Zusammen­spiel mit Robotern und Hands-on-Materialien gebracht wird, ist man sehr gut vorbereitet auf die digitale Welt und hat vor allem keine Angst davor. Es ist wichtig, dass man nicht aus einer Angst heraus Technologien und Neuerungen ablehnt, sondern sich bewusst dafür oder eben dagegen entscheidet. Schon in frühen Jahren wird hierfür eine Prägung gelegt, sodass man es nicht anderen überlässt, bei Kindern eine Technik-Aversion entstehen zu lassen. Wir wollen ja nicht aus jedem eine Programmiererin oder einen Programmierer machen, aber wir möchten zumindest, dass sie einmal positiv mit den sogenannten MINT-Fächern in Berührung gekommen sind, auch wenn man am Ende sagt: ‚Nö. Kann ich zwar aber ich mich interessiert trotzdem Kunst, Germanistik oder Sport.’

Über Open Roberta:

Bei „Open Roberta“, einer Cloud-basierten Open-Source-Software für Schülerinnen und Schüler ab neun Jahre, handelt es sich um die technologische Erweiterung der Fraunhofer-Initiative „Roberta – Lernen mit Robotern“. Das Fraunhofer IAIS bietet mit „Open Roberta“ eine Plattform, über die Schülerinnen und Schüler im Hand­umdrehen Grund­lagen des Programmierens lernen können. Über die graphisch basierte Programmier­umgebung „Open Roberta Lab“, via Internet­browser nutzbar, entwickeln Kinder und Jugendliche Programme und Experimente für Roboter und andere Hardware-Systeme. Open Roberta erfordert weder Vorkenntnisse oder besondere technische Voraus­setzungen. Die Programmier­oberfläche ist einfach und übersichtlich gestaltet, alle Projekt­schritte sind in der Fraunhofer-Cloud abgespeichert, sodass Schülerinnen und Schüler von jedem Ort aus daran weiter­arbeiten können. Das „Open Roberta Lab“ wird am Fraunhofer IAIS mit Unterstützung von Google entwickelt und steht unter der Schirmherrschaft des Bundes­ministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Lehrende haben die Möglichkeit, im Rahmen der Google Zukunfts­werkstatt an einer kostenlosen Fortbildung durch die Roberta-Initiative teilzunehmen, um den Umgang mit der Plattform zu erlernen und zertifizierte „Roberta-Teacher“ zu werden.

Weitere Informationen und Anmeldung zu Roberta-Schulungen bei der Roberta Initiative.