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Das sind die wesentlichen Fragen, die Lehrkräfte bei der Vorbereitung einer Unterrichts­einheit zum Thema „Gesundheits-Apps“ beschäftigen. Dieser Beitrag nimmt Ihnen die Recherche ab und bringt die wichtigsten Antworten für Sie auf den Punkt.

App-Kategorien helfen bei der Suche

Um in der Suchmaschine das richtige Ergebnis zu finden, braucht man adäquate Such­begriffe. Unter anderem deshalb ist es auch für die Schüler:innen relevant, sich mit den gängigen Gesundheits-App-Kategorien aus­einander­zu­setzen.

In der Fachliteratur und im Gesundheits­wesen werden Gesundheits-Apps drei verschiedenen Anwendungs­bereichen zugeordnet: Medizin-, Präventions- und Gesundheits­förderungs-Apps. Beispiele und Erläuterungen zu den drei Kategorien gibt Viviane Scherenberg in ihrem Beitrag „Gesundheits-Apps“ auf der Website der Bundes­zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA):

  • Medizinische Apps dienen der Diagnose oder Therapie von Krankheiten (Beispiel: Auswertung von Blut­zucker­werten). Einige gibt es sogar auf Rezept: Diese sogenannten Digitalen Gesundheits­anwendungen (DiGA) können „einen positiven Versorgungs­effekt nachweisen“, den „eine hersteller­unabhängige Institution (bzw. [eine] Universität, [ein] Forschungs­institut)“ (Scherenberg, Website BZgA, Link s. o.) geprüft hat. Erst dann werden sie in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen.
  • In die Kategorie „Präventions-Apps“ fallen zum Beispiel Bewegungs-Apps, „die auf individueller Ebene Krankheiten verhindern sollen“.
  • Demgegenüber sollen gesundheits­fördernde Apps (etwa für Yoga oder Work-out-Trainings) eher Gesundheits­ressourcen und -potenziale stärken.

Im medienpädagogischen Bereich kategorisieren Autor:innen oft auch nach medizinischen Apps, service­orientierten Apps und Wellness-/Fitness-/Lifestyle-Apps. Mit diesen für Jugendliche vermutlich eher selbsterklärenden Kategorien arbeitet beispielsweise die Handreichung „Gesundheits-Apps. Nutzen und Anwendung“ des Landes­medien­zentrums Baden-Württemberg. Sie richtet sich zwar primär an ältere Menschen, eignet sich jedoch mit ihren klar verständlichen Erläuterungen und Praxistipps für die App-Wahl auch für den Einsatz im Unterricht.

Johannes Wimmer nutzt diese Begriffe ebenfalls in einem Video des Aktions­bündnisses Patienten­sicherheit. Er erklärt darin verständlich in gerade einmal sieben Minuten, was qualitativ hoch­wertige und seriöse Gesundheits-Apps ausmacht und woran man sie erkennt. Das Video eignet sich sehr gut als Wieder­holung in der Vertiefungs­phase am Ende der Unterrichts­einheit.

Begriffsdefinition und Glossar der Anglizismen

In medizinischen Fachkreisen hat sich in den letzten Jahren eine Definition von Gesundheits-Apps etabliert, die sich an den Gesund­heits­begriff der Welt­gesundheits­organisation anlehnt: Gesundheits‐Apps sind demnach „mobile Anwendungen (…), die zum Ziel haben, das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden positiv und nachhaltig auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu beeinflussen“ (Scherenberg und Kramer, 2013).

In den Medien, der Fachliteratur und im Netz sind im Zusammenhang mit Gesundheits-Apps zahlreiche Anglizismen gebräuchlich. Hier eine kleine Auswahl:

  • Vielleicht nutzen einige Schüler:innen in der Klasse Wearables, also elektronische Geräte, die als Smartwatch oder Fitness-Tracker am Hand­gelenk getragen werden und über Bluetooth mit Apps verbunden sind.
  • Hearables sind smarte Kopfhörer mit Drahtlosverbindung zur App auf dem Handy oder Tablet.
  • Sie dienen zum Beispiel dem Activity Tracking, also dem Erfassen von fitness- oder gesundheits­relevanten Daten (Länge von Lauf­strecken, Kalorien¬verbrauch, Herzfrequenz …).
  • Auch sonst wird mit Gesundheits-Apps allerhand „getrackt“, oft mithilfe der User:innen selbst, die beim Self-Tracking die eigenen verhaltens­bezogenen oder sonstige gesundheits­relevante Daten dokumentieren, etwa ihre Stimmungslage (Mood Tracking) oder bei jüngeren Frauen die monatliche Menstruation (Perioden-Tracker).
  • Lifelogging ist ein Sammelbegriff für verschiedene Formen der digitalen Selbst­vermessung, etwa mit Activity-Trackern oder digitalen Tagebüchern.
  • Mit Boosting verstärken unter anderem Fitness-Apps erwünschtes Verhalten. Sie geben auch Leistungs­anreize (Nudging).

Seriöse Apps: die „Guten“ finden

Wie erkennt man in der Flut von Gesundheits-Apps die qualitativ hochwertigen? Hier einige Praxistipps und hilfreiche Webadressen:

  • Gütesiegel, Test-Labels und Prüfsiegel sind Qualitäts­kenn­zeichnungen für Gesundheits-Apps. Viviane Scherenberg hat auf der Website der BZgA einige mit ihrem jeweiligen Prüf­gegenstand (Datenschutz und -sicherheit, Funktionalität, qualitäts­bezogene Transparenz etc.) aufgelistet.
  • In das DiGA-Verzeichnis werden Gesundheits-Apps erst nach Prüfung durch das Bundes­institut für Arznei­mittel und Medizin­produkte aufgenommen. Hier bekommen User:innen also praktisch geprüfte Qualität.
  • Auch Empfehlungen und Entscheidungs­hilfen von Non-Profit-Organisationen helfen bei der App-Wahl, zum Beispiel die Checkliste des Aktions­bündnisses Patienten­sicherheit.

Praxistipps, Check- und Prüflisten sowie Gütesiegel für eine überlegte Auswahl hat auch die Redaktion der Website „Patienten­universität“ der Medizinischen Hochschule Hannover unter „Pfad-Finder Gesundheit“ zusammen­getragen.

Gesundheitliche Risiken

Da es bisher nur wenig Zulassungs­beschränkungen für Gesundheits-Apps gibt, sind die Inhalte nicht medizinisch geprüft und bisweilen fehlerhaft. Eine mögliche Folge könnte dann zum Beispiel sein, dass sich User:innen von Fitness-Apps körperlich übernehmen.

Es eignet sich auch nicht jede Gesundheits-App für jede:n, wie ein Video auf der Website planet wissen beweist: Rücken­übungen in Gesundheits-Apps können beispielsweise bei Menschen mit Wirbel­säulen­problemen gesundheitliche Probleme verursachen. Deshalb empfiehlt es sich, vor Nutzung eines Tools erst einmal ärztlichen Rat einholen.

Und noch eine nicht zu unterschätzende Gefahr: Self-Tracking und die digitale Protokollierung des eigenen Lebens (Lifelogging) mit dem Ziel der permanenten Selbst­optimierung kann zur Sucht werden.

Risiken bei Datenschutz und In-App-Käufen

Bei kostenlosen Tools sollte man bei den Datenschutz­bestimmungen ganz genau hinsehen: Die Kosten für Entwicklung, Herstellung und Vertrieb bezahlen letztlich die User:innen – oft mit ihren Daten. Einige Hersteller oder Anbieter von Gesundheits-Apps stellen diese dann Dritten für kommerzielle oder andere Zwecke zur Verfügung.

Häufig verbergen sich hinter vermeintlich kostenfreien Angeboten auch Apps mit In-App-Käufen: Sie sind zwar downloadbar, aber nur mit In-App-Käufen in vollem Funktions­umfang nutzbar. Eine weitere Möglichkeit, mit Apps Geld zu verdienen, ohne dass die Anwender:innen es merken, ist Schleich­werbung. Unlautere Werbung in Apps ausmachen – das sollte im Zusammenhang mit Gesundheits-Apps ebenfalls trainiert werden.

Selbst wenn App-Anbieter die besten Absichten haben, sind die Daten nicht immer sicher: Die Software weist womöglich Datenlecks auf und kann gehackt werden (siehe dazu den MDR-Bericht vom 25. Juli 2022 „Sind vertrauliche Daten in Gesundheits-Apps wirklich sicher?“ von Michael Kästner). Im Folgenden dazu zwei Beispiele, die das im Unterricht veranschaulichen können.

Sensible Daten: ein warnendes Beispiel

Bei der digitalen Selbstvermessung geben User:innen womöglich Daten preis, die dann in falsche Hände geraten können, wenn die App-Hersteller private Gesundheitsdaten weitergeben oder verkaufen.

Das hat bei sensiblen Gesundheits­daten schwerwiegende Folgen, wie das Beispiel der von Schülerinnen häufig genutzten Menstruations-App „Flo“ zeigt:

Flo Health Inc. hatte Gesundheits­daten an Facebook weiter­gegeben. Facebook seinerseits war im Sommer 2022 in die Kritik geraten, weil es die Chats einer 17-Jährigen der US-Polizei übergeben hatte. Als der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof in den USA, Ende Juni 2022 das Recht auf Abtreibung kippte, launchte Flo Health Inc. einen anonymen Modus – allerdings viel zu spät, nämlich im September 2022. Hier ein kurzes Video der Deutschen Welle zu diesem Fall.

Daten sind selbst bei Apps auf Rezept nicht sicher!

Am 9. Mai 2023 berichtete ZEIT ONLINE über einen spektakulären Fall: Dieser zeigt, dass der Daten­schutz selbst bei medizinischen Apps, die verschrieben werden können, nicht unbedingt gewähr­leistet ist. Patient:innen mit Depressionen nutzten die App „edupression“ der in Österreich ansässigen Firma Sofy GmbH, die auch öfter verschrieben wird. Dabei führten sie Tagebuch über aktuelle Beschwerden und gaben neben persönlichen Daten auch Gesundheitsdaten wie Suizid­gedanken preis. Dann kam der Schock: Aktivist:innen hackten sich ein und zogen durch eine Sicherheits­lücke Daten ab. Dabei hatten die Betroffenen noch Glück im Unglück: Die verantwortlichen Hacker:innen der Gruppe „zerforschung“ hatten keine finanziellen Interessen, sondern wollten nur auf Sicherheits­lücken hinweisen, „um auf deren Schließung zu drängen und die Sicherheit zu erhöhen“.

Die beiden Fälle zeigen klar: Mit unseren sensiblen und privatesten Gesundheits­daten kann vieles, auch für uns Unvorstellbares, passieren: Wer einer Weitergabe an Dritte zustimmt, kann womöglich sein blaues Wunder erleben. Und selbst, wenn wir das nicht tun, und Apps nutzen, die den größtmöglichen Schutz unserer Daten suggerieren oder versprechen, sind unsere Gesundheits­daten nicht immer sicher. Mit diesem Risiko müssen Nutzer:innen von Gesundheits-Apps wohl oder übel leben.