Was war die ursprüngliche Idee?
Ein Land in Trümmern, so stand Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg da. Die Wirtschaft lag danieder, und alles Lebensnotwendige gab es nur auf dem Schwarzmarkt. Denn die Verkaufsregale waren leer.
Wie sollte jetzt der Wiederaufbau gelingen? Und wie sollte die Wirtschaft dafür ausgestaltet werden? Mit maximaler Freiheit für die Bürger und Unternehmen? Oder mit einem Staat, der die Produktion lenkt und plant? Ludwig Erhard (1949 bis 1963 Bundesminister für Wirtschaft) schwebte ein dritter Weg vor: Menschen und Unternehmen sollten frei die Produkte herstellen oder anbieten, von denen sie sich am meisten versprachen. Gleichzeitig sollte es einen sozialen Ausgleich geben, damit niemand zu kurz kam, der krank oder arbeitslos war.
Der Leitgedanke war: Eine Wirtschaft muss leistungsfähig sein, damit sie sozial sein kann. Und „sozial“, das hieß für Erhard: Arbeitnehmer und Konsumenten profitieren von niedrigen Preisen und dem Fortschritt, der durch Innovationen entsteht. Dazu, das war Erhards Überzeugung, braucht es: einen freien Wettbewerb, eine stabile Währung sowie eine funktionierende Rechtsordnung. Mit diesem damals revolutionären Konzept, das Erhard als Wirtschaftsminister – gemeinsam mit dem Nationalökonomen Alfred Müller-Armack, dem Mitbegründer der Sozialen Marktwirtschaft – umsetzte, gelang der überraschend schnelle Wiederaufbau des zerstörten Landes: das sogenannte Wirtschaftswunder.
Was macht die Soziale Marktwirtschaft aus?
Seit mehr als 70 Jahren ist die Soziale Marktwirtschaft nun die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland. Was zeichnet sie aus? Ganz entscheidend ist die Rolle des Staats: Er setzt die Rahmenbedingungen und hält sich ansonsten weitestgehend zurück, damit die Unternehmen im Wettbewerb um die besten Produkte und Ideen wachsen und Arbeitsplätze schaffen.
Fußballfan Ludwig Erhard verglich die Rolle des Staats mit einem Schiedsrichter: Er sorgt dafür, dass sich alle, die mitmachen, an die Regeln halten. Verstößt jemand dagegen, pfeift der Schiri.
Im Wirtschaftsleben setzt der Staat die Rahmenbedingungen und greift ein, wenn ein echter Wettstreit nicht mehr möglich ist, zum Beispiel weil ein Unternehmen unfaire Taktiken nutzt oder so mächtig geworden ist, dass die Konkurrenz keine Chance mehr hätte. Diese Art Wettbewerb führt zu Arbeitsplätzen und Wohlstand. Angefeuert durch die Konkurrenz werden Unternehmen dazu bewegt, gute, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.
Gleichzeitig sorgt die Gemeinschaft dafür, dass – um im Bild zu bleiben – niemand „verletzt am Spielfeldrand liegen bleibt“: Wer krank, arbeitslos oder -unfähig wird, kann sich auf die anderen verlassen. Kurzgefasst lautet das Ziel: größtmöglicher Wohlstand für alle – bei bestmöglicher Absicherung.
Übrigens: Wie unsere Wirtschaft heute im Land funktioniert und welche Ideen sie besser machen könnte, das können Schülergruppen im Wettbewerb „econo=me“ selbst herausfinden (siehe Infokasten).
Welche Rolle spielt die Entscheidungsfreiheit?
Anders als in einer Planwirtschaft können sich Verbraucherinnen und Verbraucher, Unternehmerinnen und Unternehmer frei bewegen und entscheiden. Was sie kaufen und anbieten, ist, innerhalb eines gewissen Rahmens, ihre eigene Entscheidung und wird nicht vom Staat diktiert. Um den Unterschied deutlich zu machen: Im zur Sozialen Marktwirtschaft gegensätzlichen Modell, der Planwirtschaft, werden Unternehmen zentral gelenkt. Preise und Mengen bilden sich nicht auf Märkten, sondern werden staatlich festgelegt.
Eigeninitiative ist in der Sozialen Marktwirtschaft Trumpf – und fast alles ist möglich. Im Zentrum steht das Individuum, das seine Verträge frei gestalten kann und den Anreiz hat, Gewinne zu erwirtschaften: Der erzielte Überschuss gehört, nach Abzug von Steuern und Abgaben, dem Einzelnen. Das Privateigentum ist ein zentraler Bestandteil und wichtig als Anreiz, sich zu engagieren. Was man verdient, darf man behalten.
Anders als in einer Zentralverwaltungswirtschaft (wie sie etwa die DDR hatte) müssen Betriebe nicht Pläne erfüllen, sondern die passenden Produkte herstellen und damit Gewinne erzielen, um sich am Markt zu halten. Wer schlecht wirtschaftet oder seine Kunden enttäuscht, wird verdrängt. Denn in der Sozialen Marktwirtschaft ist das dann die Chance für eine oder einen anderen, es besser zu machen.
Wie sozial ist die Soziale Marktwirtschaft eigentlich?
„Wer es aus eigener Kraft nicht schafft, dem hilft die Gemeinschaft.“ Die grundsätzliche Idee von Ludwig Erhard war, dass eine Wirtschaft umso sozialer ist, je freier sie ist. Denn nur dann kann sie leistungsfähig sein und Waren zu so günstigen Preisen herstellen, dass nicht nur die Reichen etwas davon haben.
Mit seinem berühmten Slogan „Wohlstand für alle“ meinte Erhard übrigens nicht unbegrenzte soziale Leistungen. Der Politiker war gegen eine allzu starke Umverteilung, zum Beispiel über Steuern. Die beste Sozialpolitik war für ihn eine Wirtschaftspolitik, in der Unternehmen wachsen, Arbeitsplätze schaffen und damit Einkommen sichern können.
Insofern stellt sich die Frage, inwieweit man heute davon schon abgewichen ist.
Welche Grenzen hat der Markt?
Der Staat hält sich in der Sozialen Marktwirtschaft (im Vergleich zur Planwirtschaft) zwar generell zurück, er greift aber ein, indem er Regeln setzt und die „rote Karte“ hebt, sobald der Wettbewerb nicht richtig funktioniert – zum Beispiel wenn ein Unternehmen zu mächtig wird. Kartellverbote oder eine Kontrolle von Fusionen, um Monopole zu verhindern, gehören deshalb zum „Werkzeugkasten“ des Staats.
Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Digitalisierung: Welche Antworten hat die Soziale Marktwirtschaft?
Heute bewegen uns Themen, die Ludwig Erhard und andere damalige Vordenker wie der Ökonom Alfred Müller-Armack nicht kannten. Doch die Idee der Sozialen Marktwirtschaft funktioniert auch bei unseren aktuellen Herausforderungen. Denn die Wirtschaftsordnung ist nicht starr, sondern kann, beziehungsweise muss immer wieder gestaltet werden.
Gesellschaft und Wirtschaft müssen sich mit neuen Entwicklungen und Problemen beschäftigen. Beispiele sind der Klimawandel, der andere Rahmenbedingungen für den Schutz der Umwelt erfordert, oder auch die Digitalisierung, die neue Regeln für den Datenschutz braucht. Die Soziale Marktwirtschaft muss also immer wieder neue Antworten liefern und weiterentwickelt werden.
Und dabei geht es immer wieder darum, eine Balance zu finden – zwischen dem staatlichen Eingriff und der individuellen Freiheit. Karl Schiller, in den 1960er- und 1970er-Jahren Bundeswirtschafts- und Finanzminister, brachte dieses Spannungsverhältnis auf die Formel: „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig.“
Thema Inflation: „Was passiert, wenn das Geld an Wert verliert?“
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Ihre Schülerinnen und Schüler wollen besser verstehen, welche Ursachen und Folgen eine anhaltend hohe Inflation haben kann – für die Gesellschaft, die Wirtschaft und ihren eigenen Alltag? Dann ist der „econo=me“-Schülerwettbewerb der Flossbach von Storch Stiftung, der von ZEIT für die Schule unterstützt wird, die Chance, sich kreativ mit dem Thema auseinanderzusetzen: Ab der Jahrgangsstufe 7 können Schülergruppen aller Schulformen eigene Ideen zum Wettbewerbsthema „Inflation: Was passiert, wenn das Geld an Wert verliert?“ entwickeln und tolle Preise gewinnen. Die Teilnahme ist bis zum 28. Februar 2023 möglich. Alle Infos gibt’s hier: econo-me.de