Lehrende und Lernende brechen gemeinsam aus dem Alltag aus
Jörn Langer, Lehrer an der Heinz-Brandt-Schule, hat schon an zahlreichen „Herausforderungen“ mitgewirkt. Er hat die Gruppe, die mit Longboards von Berlin bis an die Ostsee gefahren ist, angeleitet. Die Regeln, Ehrlichkeit und Partnerschaftlichkeit, die er in den 14 Tagen mit der Gruppe geteilt hat, werden den Beteiligten auch später noch dabei helfen, Konflikte in der Gemeinschaft zu lösen, sagt er. Auf die Erfahrungen, die sie sich in der „Herausforderung“ gemeinsam erarbeitet haben, werden sie von nun an immer zurückgreifen können.
In den letzten Wochen vor den Sommerferien wird an der Heinz-Brandt-Schule in Berlin den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 7 bis 10 die Möglichkeit geboten, an einem Projekt teilzunehmen. Diese können ganz unterschiedlich sein: Paddeln auf deutschen Flüssen mit einem selbst gebauten Boot, eine Pilgerwanderung ins spanische Santiago de Compostela oder den Bau eines Pizzaofens. Einzige Voraussetzung für das Teamwork ist, dass die Gruppe dafür ihre gewohnte Umgebung verlässt und sich einer „Herausforderung“ stellt. Dabei machen sowohl die Jugendlichen als auch die sie begleitenden Lehrkräfte spannende Erfahrungen, die sie ihr Leben lang begleiten werden.
Lernen an anderem Ort
Die Heinz-Brandt-Schule in Berlin gehört zu den Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises, der jährlich von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung verliehen wird. Seit der Auszeichnung 2011 gehört die Schule zu einem Netzwerk von mittlerweile über 70 Preisträgerschulen.
Wie die Integration des Projekts in das Schuljahr gelingt und was die Lehrkräfte sowie die Schülerschaft davon überzeugt hat, wird in einem Video und in einer Konzeptbeschreibung auf dem Deutschen Schulportal anschaulich dargestellt. Dabei werden die unterschiedlichen Aspekte und Vorteile der „Herausforderung“ ausführlich erläutert. Angemeldete Nutzerinnen und Nutzer können außerdem kostenlos Material herunterladen, das die Schule zur Umsetzung ihres Projekts verwendet hat.
Auf dem Lehrplan: Persönlichkeitsentwicklung
Kurz vorm Beginn der Sommerferien wird in der Regel kein neuer Lernstoff mehr angefangen. Die Berliner Heinz-Brandt-Schule suchte daher eine Projektidee, um diesen Zeitraum sinnvoll zu gestalten. 2012 dann keimte im Kollegium die Idee auf, die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler außerhalb der gewohnten Umgebung zu fördern. Bereits im Jahr darauf startete das Pilotprojekt und erfreute sich von Anfang an so großer Popularität, dass die „Herausforderungen“ nun fest ins Schuljahr integriert wurden.
Teilnehmende Lehrkräfte entwickeln jährlich gemeinsam mit den Jugendlichen verschiedene Projektideen und stellen diese den Schülerinnen und Schülern vor. Die können sich dann für das Projekt bewerben – die Teilnahme ist freiwillig. Die Lehrkraft leitet die Gruppe weiterhin an – die konkrete Ausarbeitung der „Herausforderung“, die Verantwortung und Planung liegen dann aber voll und ganz in den Händen der Jugendlichen.
Warum eine „Herausforderung“?
Im Rahmen der verschiedenen Aufgaben sehen sich die Jugendlichen gezwungen, ihre Komfortzone zu verlassen. Dabei machen sie Erfahrungen mit Grenzen und lernen, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Das ist in einer heterogenen Gruppe von rund 15 Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 12 und 16 Jahren keine leichte Aufgabe. Und es gilt weitere kleine Hürden zu bewältigen, wie zum Beispiel den Verzicht aufs Smartphone.
In diesen zwei Wochen geht es mithin um die Entwicklung sogenannter „Soft Skills“. Selbstständigkeit, Teamfähigkeit, Frustrationstoleranz und Empathie sind nur einige der Fähigkeiten, die Jugendliche im Umgang mit ihrer „Herausforderung“ entwickeln. „Wir stoßen mit diesem Projekt einen Selbstwirksamkeitsprozess an, der extrem wichtig ist. Die Schüler merken, dass sie sich selbst etwas zutrauen können“, sagt Patricia Stawicki, die als sozialpädagogische Mitarbeiterin an der Heinz-Brandt-Schule das Projekt „Herausforderung“ begleitet.
Wir stoßen mit diesem Projekt einen Selbstwirksamkeitsprozess an, der extrem wichtig ist.
Patricia Stawicki, sozialpädagogische Mitarbeiterin an der Heinz-Brandt-Schule
Immer wieder beobachten Lehrkräfte, wie Schülerinnen und Schüler im Rahmen von „Herausforderungen“ über sich selbst hinauswachsen. Jugendliche, die im Schulalltag sonst eher negativ aufgefallen sind, können sich zu motivierten und verlässlichen Teilnehmern entwickeln – Charaktereigenschaften, die sie auch nach Bewältigung der „Herausforderung“ beibehalten.
Mit der Einführung des Projekts ist infolge der vielen gemeinsamen Erfahrungen zudem der Zusammenhalt an der Schule gewachsen. Es hat sich gezeigt, dass die „Herausforderung“ die Lernatmosphäre nachhaltig positiv beeinflusst.
Die Preisträger des Deutschen Schulpreises haben ganzheitlich mit ihrer Art, Schule zu gestalten, überzeugt. Auf dem Deutschen Schulportal werden innovative Konzepte, die die Preisträger entwickelt haben, anschaulich dargestellt. Die ganze Geschichte zum Projekt „Herausforderung“ an der Heinz-Brandt-Schule sowie weitere Beispiele aus der Schulpraxis mit vielen Materialien für die Umsetzung sind auf dem Deutschen Schulportal zu finden.