
Mit Unterstützung von Facebook
Der 15-jährige Jakob, Protagonist des Fernsehspielfilms „Homevideo“, hat es schwer. Seine Eltern wollen sich trennen, in der Schule läuft es nicht gut. Und dann gelangt durch Zufall ein selbst gedrehtes Video in die Hände eines Mitschülers, auf dem Jakob beim Masturbieren zu sehen ist. Ehe Jakob es verhindern kann, befindet sich der Film im Internet und verbreitet sich dort rasant. Über Kanäle in den sozialen Medien wird Jakob ausgelacht, verspottet und gedemütigt. Er leidet so sehr unter dem Cybermobbing, dass er sich schließlich umbringt.
Cybermobbing hat viele Gesichter
In seinem preisgekrönten Drama „Homevideo“ greift Kilian Riedhof als erster deutscher Regisseur 2011 das Thema Cybermobbing auf. Unter Cybermobbing, auch „Cyber-Bullying“ genannt, ist eine Form der Schikane zu verstehen, die vor allem online stattfindet. Das Opfer wird über das Internet oder Mobiltelefone über einen längeren Zeitraum hinweg beleidigt, bedroht und belästigt.
Fast 40 Prozent der befragten 12- bis 19-Jährigen kennen, einer Studie zufolge, jemanden, dem das passiert ist. Das Perfide ist, dass es so leicht geht: „Ein einziger Klick, und jemand ist vor der ganzen Klasse bloßgestellt“, fasst die US-amerikanische Psychologin und Expertin für Cyber-Bullying, Robin Stern, zusammen. „In meiner Schulzeit habe ich erlebt, wie ein Lehrer sich über einen Schüler lustig gemacht hat, der bereits Zielscheibe von ständiger Respektlosigkeit war. Das war schlimm. Aber wer heute gemobbt wird, hat häufig keinerlei Pause von der Schikane. Wenn die Kinder oder Jugendlichen nach Hause kommen und das Handy oder den Computer benutzen, sind sie den Demütigungen weiterhin ausgesetzt – oder sie müssen zumindest mit weiteren Gehässigkeiten rechnen“, erläutert die Psychoanalytikerin.
Ein weiterer Unterschied zwischen Cyber- und offline Mobben ist neben der Permanenz, der großen Reichweite und der Schnelligkeit, dass die Täter ihre Posts anonym versenden können. Sie erleben das Ausmaß ihrer verletzenden Aktionen häufig nicht direkt mit und sind dadurch möglicherweise noch enthemmter als im persönlichen Kontakt. Außerdem lassen sich im Netz veröffentlichte Inhalte nur schwer wieder aus der Welt schaffen. Die Opfer werden dadurch immer wieder mit ihnen konfrontiert und langfristig belastet.

Plattform zur Verbeugung hilft Betroffenen
Um Betroffenen zu helfen, hat Robin Stern als stellvertretende Direktorin des Yale Center for Emotional Intelligence in New York zusammen mit dem Institutsdirektor Marc Brackett für Facebook das „Bullying Prevention Hub“ entwickelt. Die Plattform ist eine Anlaufstelle für Jugendliche, Lehrende und Eltern und bietet etwa in Form von vorgefertigten Nachrichten ganz konkrete Handlungsanweisungen mit Vorschlägen zum Verhalten an. Zum Beispiel, wenn das Opfer dem Täter etwas entgegensetzen möchte. Robin Stern: „‚Ich kann sagen: Ich mag nicht, wie du mit mir sprichst, hör auf damit‘. Oder: ‚Bitte entferne das Bild‘. ‚Das, was du machst, verletzt meine Gefühle‘ ist eine weitere Alternative. Ich sollte mich allerdings nur dann offenbaren, wenn mich mit dem Täter eine starke persönliche Beziehung verbindet – wenn mich also plötzlich eine Freundin mobbt zum Beispiel. Gibt es keine Beziehungsebene, sind der Täterin oder dem Täter meine Gefühle vermutlich egal, und durch eine emotionale Sprache mache ich mich nur unnötig angreifbar.“
Ruhe bewahren und die Situation klären
Das „Bullying Prevention Hub“ richtet sich nicht nur an Opfer, sondern auch an Kinder und Jugendliche, die Zeuge einer Mobbing-Attacke werden. Wenn sie die Entscheidung treffen, zu helfen, ist bereits viel gewonnen. Denn Forschungen zeigen, dass Mobbing in 85 Prozent der Fälle aufhört, wenn das Opfer unterstützt wird. Hilfe ist möglich, indem man dem bzw. der Ausgegrenzten signalisiert, dass er oder sie nicht allein ist. „Früher dachte man außerdem, dass sich Zeugen direkt einmischen sollen. Aber das kostet viel Mut und ist unter Umständen gefährlich“, so Robin Stern. „Deshalb raten wir eher dazu, einen Erwachsenen ins Vertrauen zu ziehen.“
Für Pädagogen und Eltern gilt: Sie sollten in einem Gespräch mit dem Opfer oder mit dem Täter oder der Täterin immer Ruhe bewahren und Ruhe vermitteln. Und dem Opfer klarmachen, dass es nicht schuld an der Situation ist. „Viele gemobbte Kinder und Jugendliche schämen sich und fürchten, etwas falsch gemacht zu haben. Dem ist nicht so“, stellt Robin Stern heraus. „Und auch die ,Bullies‘, die Täter, werden nicht als Bullies geboren. Sie sind zu Hause vermutlich selbst Zielscheibe von Übergriffen und brauchen Hilfe. Heutzutage sind Experten allerdings nicht mehr der Meinung, dass der Täter nur aus Unsicherheit heraus andere drangsaliert. Das ist zwar möglich. Genauso gut kann es aber sein, dass er oder sie gerne Anführer oder Anführerin ist oder festgestellt haben, dass er bzw. sie mit seinem/ihrem Verhalten gut an- und durchkommt.“
Empathie vermeidet Schikane im Internet
Pädagogen finden in dem „Bullying Prevention Hub“ Informationen zum Umgang mit Schülern, die gemobbt werden und Schülern, die selbst mobben. Darüber hinaus gibt es Leitfäden, die helfen, Mobbing gar nicht erst entstehen zu lassen. Vorbeugen lässt sich vor allem durch Empathie, sagt Robin Stern. Diese Fähigkeit, Empfindungen und Gefühle anderer nachzuempfinden, ist ab einem sehr frühen Alter durch Rollenspiele, Geschichten-Erzählen und Bücher erlernbar. „Kinder, die sich in andere hineinversetzen und sich vorstellen können, wie es ist, fertiggemacht zu werden, würdigen andere nicht so schnell herab. Empathie zu schulen ist deshalb der beste Schutz“, so Robin Stern.

Kompendium „Digital- und Medienkompetenz im Schulalltag“
Das Kompendium führt die Unterrichtsmaterialien der vergangenen Monate, die mit Unterstützung von Facebook entstanden sind, zusammen zu den Themen „Fake-News“, „digitale Zivilgesellschaft“, „Rassismus“, „Verschwörungstheorien “ sowie „Cybermobbing und Sexting“.