ZEIT für die Schule
Designerin arbeitet mit einem Designprogramm am Computer
sponsored post
Logo Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz
Interview

Knallbunte Bilder auf Lexica.art oder Beethovens vollendete 10. Sinfonie: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird in Kunst und Musik immer alltäglicher. Wie kommt es überhaupt dazu, dass sie so etwas kann?
Yannick Hofmann: In den 1980er-Jahren hat man versucht, KI mithilfe von Algorithmen zu trainieren. Da war beispiels­weise jede musikalische Partitur eine Art Algorithmus, mit deren Hilfe man dem Computer ein Regelwerk beigebracht hat. Jetzt gibt es eine neuronale Künstliche Intelligenz, die selbst herausfindet, wie sie ein gewünschtes Ergebnis erzeugen kann. Das funktioniert im Bereich der Musik, indem man viele Musikstücke, etwa von Johann Sebastian Bach, in den Computer einspeist. Der Rechner erkennt eigen­ständig Muster in den Musikstücken, beispiels­weise von Bachs Chorälen. Dadurch lassen sich quasi auf Knopf­druck Musiken erzeugen, die originär wie Bach klingen. Das Vorgehen gilt natürlich nicht nur für Bach, sondern auch für alle anderen popkulturellen Genres.

Cecilia Preiß: Genauso sieht es in der bildenden Kunst aus. Da füttert man die Künstliche Intelligenz mit Daten und Stilen unterschiedlicher Künstler*innen. In der angebotenen Daten­menge erkennt der Computer Muster, die er entsprechend reproduzieren kann. In KI-Bild­generatoren wie DALL-E gibt man dann beispiels­weise einen Text ein, und auf Grundlage von maschinellem Lernen, von Deep Learning, erstellt das Programm Bilder aus der Text­beschreibung. Wie allerdings das genau funktioniert, also auf welcher Basis der Computer welche Schritte macht, wissen wir nicht genau. Es ist eine Black Box.

Cecilia Preiß und Yannick Hofmann
© intelligent.museum, Foto: Felix Grünschloß

Cecilia Preiß

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Sie studierte Literatur-, Kunst- und Medien­wissenschaften an den Universitäten Konstanz, Venedig und Bochum und promovierte anschließend zu zeit­genössischer Medien­kunst am DFG-Graduierten­kolleg „Das Dokumentarische“.

Im Projekt intelligent.museum liegt ihr Fokus auf den Herausforderungen, die mit KI-Technologien einhergehen. Dieser resultiert aus dem Anliegen, die Besucher*innen zu einem kritischen Umgang mit KI zu befähigen.

Yannick Hofmann

ist Medienkünstler und Kurator und derzeit für das Deutsche Museum Nürnberg tätig. Als künstlerischer Leiter des Projektes intelligent.museum arbeitet er seit 2020 mit einem Team von Software­entwickler*innen und Expert*innen für museale Besucher*innenforschung an hybriden Formaten und Anwendungen für das Museum der Zukunft. Sein Ziel ist es, das Museum zu revolutionieren und zu einem Ort des Erlebens und Experimentierens zu machen; zu einem sozialen Raum, in dem Kunst, Wissenschaft, Technologie und öffentlicher Diskurs zusammenkommen.

Steckt in dieser Black Box Kreativität der KI?
Yannick Hofmann: Nein! In ihr steckt das Gegenteil von Kreativität. In ihr geht es rein um Statistik. Denn wenn man eine Sonate im Stil von Beethoven haben möchte, muss der Computer vorher auf Beethoven trainiert worden sein. Und es muss jemanden geben, der den Befehl für einen bestimmten Auftrag erteilt.

Wenn wir das von OpenAI entwickelte Computer­programm DALL-E nehmen – dessen Name übrigens ein Kofferwort ist aus dem kleinen animierten Roboter WALL-E und dem spanischen Surrealisten Salvador Dalí –, dann muss man also einen Befehl eintippen.
Cecilia Preiß: Genau. Das funktioniert über Prompt Engineering. Prompt Engineering ist ein Konzept der Künstlichen Intelligenz und insbesondere der Verarbeitung natürlicher Sprache. Man schreibt also einen Text ins Feld. Anschließend klickt man auf das Feld „Generate“, und der Befehl wird an das KI-System geschickt. So ermittelt die KI Ergebnisse. Als ich es ausprobiert habe, war ich überrascht, wie konkret und detailreich man Dinge beschreiben muss, um ein Bild zu erzeugen, das man vor Augen hat. Dieses Prompt Engineering, das passgenaue Texten, ist der eigentliche kreative Vorgang.

Ähnlich wie in der Konzeptkunst.
Yannick Hofmann: Gutes Stichwort, die Konzeptkunst ist für uns, die wir im musealen Kontext tätig sind, der Vergleichs­punkt. Bei der Konzept­kunst ging es Anfang des 20. Jahr­hunderts nicht mehr darum, dass die Künstler*innen selbst etwas konkret in die Tat umsetzen. Vielmehr war die Idee das Kunstwerk. Etwa als Marcel Duchamp ein Urinal ins Museum gestellt und es Fountain, also Brunnen genannt und zur Kunst erhoben hat. Demgemäß reden wir in Bezug auf die KI nicht von künstlicher Kreativität – ich drücke auf einen Knopf, und der Computer ist auf mystische Art und Weise kreativ –, sondern von einer Co-Kreativität von Mensch und Maschine.

intelligent.museum

In Kooperation von ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe und Deutschem Museum Nürnberg läuft bis Ende des Jahres ein Projekt zum Museum der Zukunft, finanziert von der Kulturstiftung des Bundes. Das Projekt intelligent.museum zeigt verschiedene Einsatz­möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, etwa in digitaler Kunst, und beleuchtet kritisch damit zusammen­hängende gesellschafts­relevante Themen aus unterschiedlichen Perspektiven. Yannick Hofmann hat das Projekt intelligent.museum maßgeblich entwickelt und ist dessen künstlerischer Leiter.

Bis zum 4. Juni 2023 läuft am ZKM die Ausstellung the intelligent.museum is around the corner. Vom 20. Juli bis 22. Oktober 2023 zeigt das Projekt intelligent.museum KI-Kunst im Deutschen Museum Nürnberg.

Wie könnte diese Art von Künstlicher Intelligenz den Kunst- und Musik­unterricht bereichern?
Cecilia Preiß: Im Musikunterricht wäre es sicherlich interessant, sich anzusehen, welche Musikstile Künstliche Intelligenz heraus­filtert. Welche wieder­kehrenden Muster gibt es? Bei Kunst muss man wiederum die Stile verschiedener Epochen benennen können, um sie beim Prompt Engineering auch als Begriff verwenden zu können. Außerdem lässt sich die Fantasie durch Prompt Engineering stimulieren und erweitern, und die KI sorgt möglicherweise für eine gewisse Ausgeglichenheit, wenn nicht alle Schüler*innen handwerklich gleich begabt sind. Aber ganz grundsätzlich ist natürlich erst einmal wichtig, den Schüler*innen im Hinblick auf die generierende KI zu vermitteln, was es bedeutet, wenn ein Musikstück oder Kunstwerk künstlich erschaffen wurde. Schon heutzutage sind wir alle mit vielen Bildern konfrontiert, die mithilfe von KI entstanden sind.

Yannick Hofmann: Und bei diesem Aspekt sind wir beim Thema Medien­kompetenz als wichtigem Schulthema. Wie lassen sich Fakes oder vielmehr Deepfakes, also täuschend echt wirkende, manipulierte Bild-, Audio oder Video­aufnahmen erkennen? Genauso gilt es, eine Sensibilität dafür zu schüren, dass KI in aller Regel mit den Daten der Internet­nutzer*innen trainiert wird – unter anderem mit denjenigen der Kinder selbst, wenn sie in sozialen Netzwerken unter­wegs sind. Eine weitere Frage ist, wie ich die Kids dazu bringe, selbst kreativ zu werden. Denn die großen Fähigkeiten der KI sind sicher nicht nur darin zu suchen, die Vergangenheit einmal umzurühren und einen Remix daraus zu gestalten. Sondern es geht auch darum, neue kreative Modi zu entwickeln. KI ist hier ein Möglichkeits­feld, die eigene Kreativität heraus­zu­fordern.

Was raten Sie Lehrkräften, die sich dem Thema KI annähern wollen?
Yannick Hofmann: Ich habe das Gefühl, dass wir alle aufgrund der rasant beschleunigten Entwicklung etwas verloren sind. Wir müssen vieles neu lernen, neue Umgangs­formen angesichts der technischen Systeme etablieren. Und sicherlich müssen im Bereich der Bildung neue Lehrpläne erstellt werden, damit das Potenzial der KI für den Unterricht voll ausgeschöpft werden kann.
Cecilia Preiß: Im wissenschaftlichen Bereich heißt es oft: Oh nein! Wie können wir jetzt herausfinden, ob alles selbst geschrieben wurde? Die absolute Delegation der Arbeit an die KI ist eine große Sorge, alles wird sehr kritisch gesehen. Da wäre es vielleicht wichtig, selbst herum­zu­probieren, mit verschiedenen Tools zu experimentieren und sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Technologie aus­einander­zu­setzen. Denn es wird nicht möglich sein, in Zukunft ohne KI zu lehren.