ZEIT für die Schule
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Interview

Herr Bubenitschek, immer wieder gibt es Situationen, in denen Menschen nach Hilfe rufen. Doch auch an belebten Orten kann es vorkommen, dass niemand reagiert. Woran liegt das?
Günther Bubenitschek: Das liegt zum einen an der sogenannten „Verantwortungs­diffusion“: Je mehr Menschen in der Nähe sind, desto unsicherer ist die Situation. Alle fragen sich: Soll ich jetzt etwas tun? Gibt es nicht jemanden, die oder der sich besser auskennt oder sich eher traut? Oft muss erst eine Person reagieren, dann eilen andere Abwartende ebenso zur Hilfe, die sich alleine nicht getraut haben.

Zum anderen muss man eine Notsituation aber auch erst einmal erkennen können. Wenn jemand laut nach Hilfe ruft, ist es eindeutig. Liegt aber jemand zum Beispiel im Haus­eingang oder im Fahrstuhl, wissen wir nicht: Ist es vielleicht eine obdach­lose Person, die nur schläft, oder ist hier jemand zusammen­gebrochen und ohnmächtig? Deshalb im Zweifel immer ansprechen und nach­fragen – lieber einmal zu viel als zu wenig.

Studien zeigen: Es hängt von der Persönlichkeit ab, ob jemand eingreift und Zivil­courage zeigt oder nicht. Sehen Sie das auch in Ihrer Arbeit?
Durchaus. Ein großes Selbst­bewusst­sein oder ein ausgeprägter Gerechtig­keits­sinn, Mut oder Handlungs­schnelle – das sind alles Charakter­merkmale, die entscheiden, ob jemand eingreift oder nicht. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig zu betonen: Jede und jeder kann helfen. Man muss nur wissen, wie.

Günther Bubenitschek
© Dorothea Burkhardt

Günther Bubenitschek ist Erster Kriminal­haupt­kommissar a. D. und Referent für Medien­sicherheit und Medien­bildung. Er ist im bundes­weit tätigen Opfer­hilfe­verein WEISSER RING e. V. der Präventions­beauftragte des Landes Baden-Württemberg. Bis zuletzt arbeitete er als polizeilicher Experte im Forschungs­projekt www.zivile-helden.de beim Programm Polizeiliche Kriminal­prävention der Länder und des Bundes (ProPK).

Und wie hilft man in einer Notsituation?
Dafür gibt es vom WEISSEN RING e. V. fünf Tipps für Zivilcourage.

  • Zuerst gilt es, wie bereits gesagt, die Situation zu beobachten und zu erkennen: Braucht hier jemand Hilfe? Ich kann die betroffene Person oder die Personen direkt ansprechen und fragen.
  • Falls ich erkenne, dass Hilfe gefordert ist, sollte unbedingt die Polizei verständigt werden. Ich kann den Notruf auch an andere Personen in der Nähe delegieren.
  • Erst dann greife ich im Zweifels­fall ein, begebe mich idealer­weise aber selbst nicht in akute Gefahr. Denn bevor sich die Situation – etwa eine körperliche Aus­einander­setzung – zuspitzt, sollte ich versuchen zu deeskalieren. Es hilft zum Beispiel, wenn ich sage, dass die Polizei alarmiert wurde, oder wenn ich sehr laut und bestimmt rede.
  • Falls die Situation auch für mich gefährlich werden kann, kann ich um Mithilfe bitten bei umstehenden Personen, indem ich sie direkt anspreche.
  • Und schließlich sollte ich mich um das Opfer kümmern. Ich spreche die betroffene Person an, leiste, wenn nötig, Erste Hilfe und bleibe bei ihr bis zum Eintreffen der Polizei oder der Rettungs­kräfte.

Studien zeigen: Es hängt von der Persönlichkeit ab, ob jemand eingreift und Zivilcourage zeigt oder nicht. Sehen Sie das auch in Ihrer Arbeit?
Durchaus. Ein großes Selbstbewusstsein oder ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, Mut oder Handlungsschnelle – das sind alles Charaktermerkmale, die entscheiden, ob jemand eingreift oder nicht. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig zu betonen: Jede und jeder kann helfen. Man muss nur wissen, wie.

Und wie hilft man in einer Notsituation?
Dafür gibt es vom WEISSEN RING e. V. fünf Tipps für Zivilcourage.

  • Zuerst gilt es, wie bereits gesagt, die Situation zu beobachten und zu erkennen: Braucht hier jemand Hilfe? Ich kann die betroffene Person oder die Personen direkt ansprechen und fragen.
  • Falls ich erkenne, dass Hilfe gefordert ist, sollte unbedingt die Polizei verständigt werden. Ich kann den Notruf auch an andere Personen in der Nähe delegieren.
  • Erst dann greife ich im Zweifelsfall ein, begebe mich idealerweise aber selbst nicht in akute Gefahr. Denn bevor sich die Situation – etwa eine körperliche Auseinander­setzung – zuspitzt, sollte ich versuchen zu deeskalieren. Es hilft zum Beispiel, wenn ich sage, dass die Polizei alarmiert wurde, oder wenn ich sehr laut und bestimmt rede.
  • Falls die Situation auch für mich gefährlich werden kann, kann ich um Mithilfe bitten bei umstehenden Personen, indem ich sie direkt anspreche.
  • Und schließlich sollte ich mich um das Opfer kümmern. Ich spreche die betroffene Person an, leiste, wenn nötig, Erste Hilfe und bleibe bei ihr bis zum Eintreffen der Polizei oder der Rettungs­kräfte.

Kann man Zivilcourage denn lernen?
Auf jeden Fall. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass Menschen, die bereits solche Not­situationen erlebt haben, oder Menschen, die Zivil­courage zum Beispiel in der Schule gelernt haben, eher helfen. Wer genau – oder zumindest grob – weiß, was zu tun ist, wird eher einschreiten. Dabei ist es unerheblich, wie groß und stark oder selbst­bewusst ich bin: Wenn ich die Situation erkenne und die Polizei rufe, habe ich schon viel geholfen. Deshalb sind diese fünf Tipps und generell die Aus­einander­setzung mit dem Thema Zivil­courage so wertvoll.

Welche Rolle spielt die Schule bei dem Thema Zivil­courage?
Eine sehr große. Im Unterricht kommen viele Kinder und Jugendliche mit dem Thema vielleicht das erste Mal in Berührung. Das richtige Verhalten in Not­situationen kann alters­gerecht zum Beispiel durch Improvisations­theater gelernt und verinnerlicht werden. Auch die theoretische Aus­einander­setzung ist wichtig: In welcher Reihen­folge gehe ich vor? Welche Nummer wähle ich im Notfall? Der Verein WEISSER RING bietet solche Trainings und Angebote für Schulen und Schul­klassen ab dem Grund­schul­alter auch selbst an oder vermittelt zu Netz­werk­partnern.

WEISSER RING e. V.

Der WEISSE RING hilft Menschen, die Opfer von Kriminalität und Gewalt geworden sind, sowie deren Angehörigen. Der Opfer­hilfe­verein ist bundes­weit vertreten mit rund 2.900 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in rund 400 Außenstellen, dem Opfer-Telefon und der Online­beratung.

Wie gehen die Schulkinder mit dem erlernten Wissen um?
Viele sind dankbar für die Aufklärung und kennen Situationen, in denen zum Beispiel Mitschülerinnen oder Mitschüler oder sie selbst von anderen geärgert oder körperlich angegangen werden, ja selbst vom Schulhof. Auch im Netz gibt es Mobbing und Hetze. Wenn sie im Kleinen solche Situationen meistern können, sprich: den Lehrkräften oder Eltern Bescheid sagen, und selbst – am besten zusammen – einschreiten, ist die Chance groß, dass sie auch später im Notfall die Initiative ergreifen und helfen.

Was müssen Lehrkräfte wissen, wenn sie Zivilcourage im Unterricht zum Thema machen möchten?
Wenn Zivilcourage im Unterricht behandelt wird, ist das grundsätzlich lobenswert. Aber es muss auch fachlich richtig erklärt werden. Es werden nämlich mitunter Ratschläge gegeben, von denen wir nur abraten können. Zum Beispiel, dass man körperlich dazwischen­gehen soll oder den Täter oder die Täterin verfolgen soll. Denn dieses Verhalten zieht statistisch die meisten Verletzungen nach sich, wie wir heraus­gefunden haben. Es ist also durch­aus ratsam, auf Material von Fach­leuten zurück­zu­greifen oder direkt mit ihnen zusammen­zu­arbeiten. Wie schon erwähnt, gehen wir mit Trainings auch direkt in die Schulen oder stellen Unterrichts­material zur Verfügung. Idealer­weise werden solche Unterrichts­einheiten auch in regel­mäßigen Abständen wiederholt. Denn: Zivil­courage kann man lernen – und jedes Training hilft!