
Greta Thunberg hält auf einem Internet-Foto ein Schild in die Höhe. Darauf steht: „Ich verdiene mich an eurer Blödheit dumm und dämlich“. Und ein Wahlplakat der AfD Nürnberg-Süd/Schwabach mit einer Abbildung der Widerstandskämpferin Sophie Scholl behauptet: „Sophie Scholl würde AfD wählen“. Kann das stimmen? Nein. Die schwedische Umweltaktivistin möchte sich nicht bereichern, und die von den Nazis ermordete Sophie Scholl gäbe sicher nicht ihre Stimme der Partei, deren rechter Flügel der Ideologie des „Dritten Reichs“ nahesteht. „Die Fotos gehören als Montagen in den Bereich der Fake News. Der Begriff ,Fake News‘ ist den meisten Schülerinnen und Schülern durchaus vertraut“, stellt die Medienpädagogin Stefanie Rack heraus. „Trotzdem wissen viele Jugendliche nicht, wie sie solche Falschnachrichten entlarven und wie sie reagieren können.“

Stefanie Rack ist Grund- und Hauptschullehrerin sowie Medienpädagogin. Sie arbeitete als freiberufliche Medienpädagogin u. a. für das Mädchen-Filmprojekt „Girls Go Movie“ und bei der Stiftung MedienKompetenz Forum Südwest (MKFS). Seit 2009 ist sie Referentin und Autorin der Unterrichtsmaterialien bei der Medienkompetenz-Initiative klicksafe. Als Koordinatorin des Jugendbeirats von saferinternet.de arbeitet sie regelmäßig mit Jugendlichen zusammen.
Schülerinnen und Schüler sind besonders anfällig für Fake News
Gerüchte und Falschmeldungen existieren wohl schon immer. Seit es soziale Netzwerke gibt, hat ihre Verbreitung jedoch eine neue Dimension erreicht: Ende April 2017 veröffentlichte Facebook ein „Whitepaper“, in dem das Unternehmen feststellt, dass die eigene Plattform für gezielte Desinformationskampagnen genutzt wurde – beispielsweise während des US-Präsidentschaftswahlkampfs, den Donald Trump für sich entschied. Der Duden nahm den Begriff „Fake News“ 2017 in sein „Wörterbuch der deutschen Sprache“ auf und definiert ihn als „in den Medien und im Internet, besonders in sozialen Netzwerken, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen“.
Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer mangelnden Erfahrungen und Kenntnisse besonders anfällig für Manipulationsversuche durch Fake News. Zumal sie sich laut einer Studie aus dem Jahr 2018 überwiegend über ihre Abonnements in sozialen Netzwerken informieren. Denn dort vermischen sich journalistisch seriöse Meldungen mit Beiträgen alternativer Medienangebote und mit Nutzerkommentaren. „Das heißt, Nachrichten, Fake News und persönliche Statements, die leider immer mehr zu Hasskommentaren werden, stehen direkt nebeneinander. Das kann das Beurteilen des Wahrheitsgehalts einer Information schwierig machen“, fasst Stefanie Rack zusammen. „Umso wichtiger ist es für Kinder und Jugendliche, Informationskompetenz zu entwickeln.“
Mit Quellenkritik gegen Fake News vorgehen
Dazu müssen sich die Jugendlichen methodische Werkzeuge aneignen – Werkzeuge, wie sie Stefanie Rack in der Broschüre der Medienanstalt des Landes Rheinland-Pfalz „Fakt oder Fake? Wie man Falschmeldungen im Internet entlarven kann“ als Unterrichtsmaterial zugänglich macht. Erstellt wurde das Material von klicksafe, einer Initiative, die in Deutschland den Auftrag der Europäischen Kommission umsetzt, Internetnutzern die kompetente und kritische Nutzung von Internet und neuen Medien zu vermitteln. „Die Quellenkritik ist ein solches Werkzeug zum Entlarven von Fake News. Sie ist nicht neu, kann Kindern und Jugendlichen aber gut an Beispielen aus ihrer Lebensrealität veranschaulicht werde“, so Stefanie Rack. Bei ihr lernen die Schüler etwa, das Impressum einer Website zu checken. Fehlt eine Adresse oder ist ein Postfach im Ausland angegeben, gilt es, das kritisch zu hinterfragen. Eine „Rückwärts-Bildersuche“ bei der Suchmaschine Google wiederum kann helfen, Bildern auf die Spur zu kommen. Denn nicht selten verwenden Falschmeldungen Beispiele aus anderen Kontexten.
Das ganz frisch aktualisierte klicksafe-Material lädt Schüler und Lehrende dazu ein, verschiedene Punkte durchzugehen und Mechanismen herauszustellen, die bei der Verbreitung von Fake News immer wieder auftauchen: „Dient der dargestellte Sachverhalt der Stimmungsmache? Hat das Bild etwas mit dem Geschehen zu tun, oder wurde ein anderes Bild eingesetzt? Wurde die Überschrift verändert? Und bedeuten viele Likes automatisch, dass Inhalte seriös sind? – Nein, tun sie nicht!“, erläutert Stefanie Rack.
Wenn man sich selbst nicht traut, kann man beispielsweise Beiträge liken, die sich gegen Falschmeldungen zur Wehr setzen.
Stefanie Rack, Medienpädagogin
Das Unterrichtsmaterial thematisiert außerdem, was Schüler tun können, wenn sie Fake News im Netz gefunden haben. Sie können die Falschnachrichten beispielsweise bei Facebook melden. Facebook arbeitet mit Faktenprüfern wie dem Journalistennetzwerk Correctiv zusammen, um gegen Falschmeldungen vorzugehen. „Gut ist auch, direkt zu widersprechen. Die Projekte ,LOVE-Storm – Gemeinsam gegen Hass im Netz‘ und #ichbinhier verfolgen genau das Ziel, in die Diskussionen einzusteigen und an Ort und Stelle ein Veto einzulegen. Das muss man sich aber erst einmal trauen, und daran scheitern auch viele Erwachsene. Wenn man sich selbst nicht traut, kann man beispielsweise Beiträge liken, die sich gegen Falschmeldungen zur Wehr setzen,“ sagt Stefanie Rack. Beim Kontern von Stammtischparolen hilft die App „KonterBUNT“, abzuwägen, welche Antwort angemessen ist.
Bauchgefühl und Hintergrundwissen
Auch das Wahlplakat der AfD mit Sophie Scholl befindet sich in der klicksafe-Broschüre. Neben Sophies Scholls Foto steht außer der Falschaussage, dass die Gründerin der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ wohl die AfD wählen würde, ein Zitat, das die Scholls seinerzeit auf Flugblätter drucken ließen. Es lautet: „Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren‘ zu lassen“. Dazu Stefanie Rack: „Das ist dermaßen perfide! Denn in diesem Zusammenhang sind mit der damaligen ‚Herrscherclique‘ die demokratisch gewählten Parteien gemeint. Das heißt, das Zitat wurde von der AfD Nürnberg-Süd/Schwabach dreist für eigene Zwecke instrumentalisiert – und das ist insbesondere für Schülerinnen und Schüler schwer zu durchschauen.“
Wie können sie mit derart subtilen wie absurden Manipulationen umgehen? „Die meisten Schülerinnen und Schüler reagieren irritiert auf dieses Plakat. Ich rate, das eigene Bauchgefühl ernst zu nehmen. Dann Fakten zu überprüfen und sich Hintergrundwissen anzueignen. Und sich immer wieder in aller Deutlichkeit klarzumachen: Es ist eine Strategie der rechten Szene, Misstrauen gegen etablierte Medien und demokratische Systeme zu schüren.“
Wie kann ich Fake News im Internet enttarnen?
Der österreichische Verein mimikama.at hat sich der Aufklärung über Internetbetrug verschrieben und bietet eine Suchmaschine für Falschmeldungen an.
Die HOAXmap sammelt Gerüchte, die über Social Media verbreitet werden.
Außerdem bei klicksafe:
- https://klicksafe.de/fake-news
- https://klicksafe.de/hate-speech
- https://klicksafe.de/rechtsextremismus
- klicksafe-Eltern-Ratgeber mit praktischen Tipps für Kinder und Jugendliche: „Richtig suchen im Internet“

Kompendium „Digital- und Medienkompetenz im Schulalltag“
Das Kompendium führt die Unterrichtsmaterialien der vergangenen Monate, die mit Unterstützung von Facebook entstanden sind, zusammen zu den Themen „Fake-News“, „digitale Zivilgesellschaft“, „Rassismus“, „Verschwörungstheorien “ sowie „Cybermobbing und Sexting“.