Die Pubertät bedeutet für Teenager ein enormer Einschnitt. Sie erleben drastische körperliche Veränderungen, werden von Kindern zu jungen Erwachsenen. In dieser Lebensphase finden wichtige Umbauprozesse im Gehirn statt. Stimmungsschwankungen, Müdigkeit und Leistungsabfall sind die Folge. Gleichzeitig sind Pubertierende auch risikobereiter. Verantwortlich dafür soll laut Deutschem Ärzteblatt ein Ungleichgewicht im Kopf sein: Hirnareale entwickeln sich unterschiedlich schnell. Der präfrontale Cortex, zuständig für die Impulskontrolle und die Verarbeitung von Gefühlen, ist meist erst mit Anfang 20 ausgereift.
Die erhöhte Risikobereitschaft, aber auch der Wunsch nach Zugehörigkeit sind mögliche Gründe dafür, dass Jugendliche in der Pubertät mit Drogen experimentieren. Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) belegen, dass Teenager ihr erstes Glas Alkohol durchschnittlich mit 14 Jahren trinken. Ihren ersten Joint rauchen sie im Durchschnitt mit 15 Jahren. Der Konsum in diesem Alter ist riskant – insbesondere, da sich das Gehirn in einer empfindlichen Reifungsphase befindet. Jugendliche sind oft noch nicht fähig, die Konsequenzen einzuschätzen. Das kann gefährliche Folgen haben: Laut einer Studie der BZgA wird im Jugendalter das Fundament für späteres Suchtverhalten gelegt.
Cannabisgesetz braucht besonderen Jugendschutz
„Junge Menschen entwickeln Abhängigkeiten, ohne es zu merken“, warnt die Medizinerin Florence Randrianarisoa. Sie moderiert die WDR-Sendung „Quarks“ und betreibt den YouTube-Kanal „DR. FLOJO“, der Teenagern Gesundheitskompetenzen vermitteln möchte. Dass insbesondere Cannabis oft verharmlost wird, ärgert sie: „Wirkstoffe wie THC können im jungen Gehirn schwere Schäden anrichten.“ Die psychoaktiven Substanzen erhöhten das Risiko für Angststörungen, Depressionen oder auch Psychosen, erklärt Randrianarisoa. Schon erste Symptome wie Konzentrationsschwierigkeiten seien bedenklich: „Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und schulischen Leistungen herstellen. Die Chancen auf einen Schulabschluss sind um ein Vielfaches niedriger, wenn Jugendliche kiffen.“
Die Legalisierung von Cannabis, die im Frühjahr 2024 per Gesetz beschlossen wurde, erhitzt derzeit die Gemüter. Die Sorge: Der Zugang zur Droge wird früher oder später auch jungen Menschen erleichtert. Das Gesetz regelt zunächst den privaten Eigenanbau und Eigenkonsum durch Erwachsene. Für Jugendliche unter 18 Jahren bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis in der Theorie weiterhin verboten. Um sie zu schützen, wurden eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. So ist etwa der Konsum in Sichtweite von Schulen, Jugendeinrichtungen oder Kinderspielplätzen untersagt. Florence Randrianarisoa zeigt sich skeptisch: „Wie soll das kontrolliert werden?“
Zur Person
Dr. Florence Randrianarisoa arbeitete mehrere Jahre als Ärztin in Köln, bis sie feststellte, dass sie in der Wissenschaftskommunikation dringender gebraucht wird. Sie gründete ihren YouTube-Kanal „DR. FLOJO“, wurde 2021 Teil des „Quarks“-Teams und veröffentlichte 2022 ihr Buch „Ein Muskelkater will auch gekrault werden“. Aktuell arbeitet sie an einem neuen Aufklärungsformat, das sich an Kinder richtet.
Präventionsangebote als wichtigste Maßnahme ausbauen
Verbindliche Regelungen für Kontrollen in sogenannten Verbotszonen werden aktuell noch von den Bundesländern ausgehandelt. Unterdessen sollen zusätzliche Präventionsangebote durch die BZgA auf den Weg gebracht werden. „Aufklärung über die gesundheitlichen Folgen von Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum gehört in jede Schule, in jeden Verein, in jede Familie. Die Zeit der Tabuisierung sollte jetzt endlich vorbei sein!“, fordert Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen. Auf der Website der BZgA findet man eine ganze Reihe von Unterrichtsmaterialien und Handreichungen zum Thema Suchtprävention. Sie sollen Lehrkräfte dabei unterstützen, die Schülerschaft für die Risiken von Drogen zu sensibilisieren.
Welcher Teenager lässt sich schon gerne von der Lehrerin oder dem Lehrer aufklären?
„Das Thema gehört auf jeden Fall in den Unterricht“, bestätigt auch Randrianarisoa. „Aber welcher Teenager lässt sich schon gerne von der Lehrerin oder dem Lehrer aufklären?“ Die Medizinerin ist überzeugt, dass Präventionsprogramme durch externe Fachkräfte effektiver seien. Auch Onlineangebote wie drugcom.de und cannabispraevention.de – beides Projekte der BZgA – findet sie gelungen und zeitgemäß. „Entscheidend ist die richtige Ansprache der Jugendlichen. Am besten funktioniert Drogenaufklärung durch Personen ähnlichen Alters.“
Weniger Tabus, dafür mehr Raum für Kommunikation schaffen
Als Wissenschaftsjournalistin weiß Florence Randrianarisoa, dass es bei schwierigen Themen auf eine klare Kommunikation ankommt. Ihre Erklärvideos scheuen daher keine Tabus. Die direkte Ansprache ist erfolgreich: „Ich kriege regelmäßig Nachrichten von Jugendlichen auf Instagram. Sie schreiben mir beispielsweise, dass sie meine Videos für den Biounterricht genutzt haben. Es freut mich, wenn sie damit etwas anfangen können – und dass sie sich die Mühe gemacht haben, es mir auch zu sagen.“
„Was interessiert euch? Was wollt ihr wissen?“ Bei der Themenfindung geht Randrianarisoa regelmäßig in den Austausch mit ihrer YouTube-Community. Die Fragen, die gestellt würden, wiederholten sich in der Regel, erklärt sie. „Ich bin aber manchmal überrascht, wie viel spezifisches Wissen schon da ist. Auf dem Level wäre ich in dem Alter noch nicht gewesen.“ Dank Medien sei es heute viel einfacher, eigenständig nach Informationen zu suchen. Doch nicht immer sei das, was man herausfinde, auch richtig. „Umso wichtiger ist es, dass wir Jugendliche ernst nehmen und sie frühzeitig mit den nötigen Kompetenzen ausstatten“, appelliert Randrianarisoa.