Eine offene Gesellschaft lebt vom Austausch unterschiedlichster Meinungen und Positionen. Doch wie offen sind wir tatsächlich für die Sichtweisen der anderen? Und was passiert, wenn uns nur noch die eigene Meinung bestätigt wird – und die der anderen gar nicht mehr zu uns durchdringt? Für den Online-Aktivisten Eli Pariser wird eine solche Entwicklung durch die Algorithmen von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken angetrieben, die jeden Einzelnen in einen personalisierten Kosmos abkapseln. Die „Filterblase“, der von ihm 2011 geprägte Begriff, steht seit 2017 im Duden – ihre Folgen werden schon seit geraumer Zeit von Wissenschaftlern, Aktivisten und Politikern problematisiert: Wer sich nur die eigene Meinung bestätigen lässt, werde zunehmend intolerant. Digitale Filterblasen würden so zum Zement einer Spaltung der Gesellschaft, wie sie etwa in den USA zwischen den Anhängern und Gegnern von Präsident Trump verläuft.
Kein Phänomen des digitalen Zeitalters
Doch Filterblasen sind kein Phänomen des digitalen Zeitalters: Ob Dorfgemeinschaft oder Freundeskreis – auch im analogen Alltag umgeben wir uns meist mit Menschen, mit denen wir Interessen, Meinungen oder politische Haltungen teilen. Tatsächlich kommen immer mehr Forscher zu dem Ergebnis: Filterblasen sind nicht in erster Linie ein Problem der Technik. Wissenschaftler der TU Kaiserslautern etwa haben festgestellt, dass die Google-Suchergebnisse unterschiedlicher Nutzer viel stärker übereinstimmen als oftmals vermutet. Von neun Suchergebnissen zu prominenten Politikern seien sieben bis acht identisch, so das Ergebnis der Untersuchung.
Entgegen der landläufigen Annahme können Algorithmen Nutzerinnen und Nutzer sogar mit Dingen konfrontieren, die ihnen eigentlich nicht passen. Forscher der US-Universität Michigan etwa konnten nachweisen, dass der durchschnittliche Nutzer auf Facebook immer wieder News sieht, die nicht seiner politischen Haltung entsprechen – nur klickt er sie eben nicht gerne an, um sie zu lesen. Zu ähnlichen Resultaten kam auch der Datenjournalist Michael Kreil bei der Untersuchung deutscher Twitter-Nutzer. Gegenläufige Informationen kommen auch bei den Verbreitern von Fake News an – sie teilen oder kommentieren sie nur nicht.
Vieles deutet also darauf hin: Filterblasen werden weniger von Algorithmen gemacht. Die Filterblasen – das sind wir selbst. Doch wie können wir den eigenen Horizont erweitern und zunehmend auch Perspektiven berücksichtigen, die unseren eigenen Überzeugungen entgegenlaufen? Die folgenden Vorschläge sollen Lehrenden helfen, Schülerinnen und Schüler für das Problem einseitiger Sichtweisen zu sensibilisieren.
Ins Gespräch gehen
Analog zur Initiative „Deutschland spricht“ beantworten Schülerinnen und Schüler einer Klasse oder Jahrgangsstufe einen Fragebogen zu politischen Themen. Im Anschluss diskutieren sie mit einer Schülerin oder einem Schüler, die oder der völlig andere Positionen vertritt. Damit diese Debatte konstruktiv verläuft, kann man sich an diesen Regeln orientieren.
Arbeitsauftrag: „Verfassen Sie einen Text aus der Perspektive Ihrer Diskussionspartnerin oder Ihres Diskussionspartners.“
In einem nächsten Schritt können diese Argumente und Motive Impuls für einen Beitrag zu einem politischen oder gesellschaftlichen Thema sein, der umfassend die unterschiedlichen Positionen beleuchtet.
Den eigenen Informationsradius erweitern
Oftmals beziehen wir unsere Informationen oder Einordnungen von einigen wenigen Newsportalen, deren politischer Grundhaltung wir uns verbunden fühlen. Das Onlineportal „The Buzzard“ hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Filterblasen systematisch zum Platzen bringen. Dazu trägt es zu jedem Thema Pro-und-Kontra-Positionen zusammen. Um den eigenen Informationsradius selbstständig zu erweitern, sollte man im eigenen Newsfeed Zeitungen aus unterschiedlichen Ecken des politischen Spektrums abonnieren. Und: Die Website Newstral gibt einen Überblick über alle Schlagzeilen quer durch sämtliche politischen Ausrichtungen journalistischer Medien.
Arbeitsauftrag: „Beziehen Sie bei der Recherche zu einer Erörterung, einem Essay oder einem journalistischen Beitrag unterschiedliche Medien mit ein. Was sagt die ,taz‘, was sagt ,DIE WELT‘ zu einem Thema? Wie lassen sich diese Positionen zusammendenken?“
Möglichkeiten sozialer Medien nutzen
Sicher: Soziale Medien können auch trennen. Gleichzeitig sind sie eine einmalige Plattform, um sich mit Personen auszutauschen, an die man anderweitig nie herankäme.
Zuhören statt entfreunden
Immer wieder teilen Facebook-Freunde Beiträge oder schreiben Kommentare, mit denen man sich gar nicht anfreunden kann. Statt diese Freunde einfach stummzuschalten oder zu entfreunden, sollte man sich anhören, was er oder sie zu sagen hat. Vielleicht kann man ihre Sicht und Probleme dann besser verstehen.