Gut ein Viertel aller 6- bis 13-Jährigen geht jeden Tag ins Internet, 77 Prozent nutzen zumindest gelegentlich einen Computer oder Laptop, zum Beispiel um für Hausaufgaben zu recherchieren. 42 Prozent jedenfalls greifen täglich zum Handy. So lauten die Ergebnisse der „KIM-Studie 2016“ des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (http://www.mpfs.de). Dass digitale Inhalte für Kinder wichtig sind, ist nicht mehr wegzudenken. Umso bedeutsamer wird eine Medienerziehung, die sich an der Lebenswelt der Jüngsten orientiert. Im Idealfall beschreiten Eltern und Lehrkräfte diesen Weg gemeinsam mit ihren Kindern und Schützlingen – „offen, interessiert, im Austausch miteinander stehend und begleitend“. Für eine solche Herangehensweise spricht sich jedenfalls Diplompädagogin Sabine Eder, Geschäftsführerin und Gründungsmitglied des medienpädagogischen Blickwechsel e. V., aus und gibt Hinweise darauf, wie eine gelungene Medienerziehung in der Praxis aussehen kann.
Gemeinsame Expeditionen in digitale Welten wagen
Auch wenn in der eigenen Kindheit digitale Endgeräte noch keine Rolle gespielt haben – wer als Elternteil oder Lehrkraft eigene Hemmungen überwindet und sich proaktiv mit dieser Technik auseinandersetzt, die Kinder heutzutage umtreibt, wird belohnt. Sabine Eder nennt das „begleitende Mitmachen“ als eines der wichtigsten Kriterien für eine gelingende Medienerziehung. „Auf diese Art kann gemeinsam erkundet und letztendlich auch gemeinsam entschieden werden, welche App geeignet ist und welche vielleicht eher nicht.“ Gleichzeitig spüren Eltern und Lehrkräfte so am besten, wie ein Kind reagiert. „Wann das Kind überfordert ist und wann es einfach Spaß hat – und das eintritt, was Mediengeräte eben auch leisten können: dass Kinder zum Ausdruck kommen und sich kreativ selbst erfahren.“
Programme, die im Schulkontext oder auch zu Hause unter Anleitung der Eltern zur gemeinsamen Erkundung unbekannter Welten einladen, gibt es viele: Auf Tablets und Smartphones lässt sich mit der Virtual-
Kreativ werden – mit allen Sinnen
Als Positivbeispiel für eine besonders gelungene Integration digitaler Medien nennt Sabine Eder eine Schule mit eigenem YouTube-Kanal. „Die Kinder dort haben unter anderem Videointerviews mit Geflüchteten geführt und mithilfe digitaler Geräte politische Themen aufgegriffen“, so die Pädagogin. Grundlage für einen verantwortungsvollen Umgang ist demnach, Medien als Werkzeuge für sich begreifen und zu nutzen. „Bei kleinen Kindern kann das, pädagogisch wertvoll, zum Beispiel dadurch geschehen, indem sie ihre eigene Stimme aufnehmen, Kinder aus Zuwanderungsländern ihre Sprache.“ Darüber hinaus gebe es Möglichkeiten, mithilfe von Apps selbst Bilderbücher zu gestalten, in die eigene Zeichnungen integriert werden können. „Auf diese Art erfahren Kinder sich auch selbst, erfahren sich mit allen Sinnen“, so Eder. „Sie machen etwas miteinander, gestalten, besprechen sich, diskutieren, verhandeln – und sind am Ende selbstwirksam und dabei auch vom Konsumieren zum Produzieren gelangt.“
Vormachen statt erklären
Kinder orientieren sich am Verhalten Erwachsener. Deshalb ist die Vorbildfunktion im Umgang mit digitalen Endgeräten nicht zu unterschätzen – das bestätigt auch Sabine Eder. „Wenn Eltern immer wieder das Smartphone in der Hand haben, spüren Kinder, welche Wichtigkeit solche Geräte für sie haben“, sagt sie. „Eltern sollten reflektieren, dass es auch für sie zwischendurch handyfreie Zeiten geben sollte, zum Beispiel beim Essen, in Gesprächen oder beim Abholen vom Kindergarten“, so Eder. Das bedeute im Umkehrschluss aber nicht, dass Eltern das Smartphone verstecken oder nur noch heimlich bedienen dürften. „Kindern sollte vermittelt werden, dass Smartphones oder Notebooks eben Arbeitswerkzeuge sind – gerade Kindern bis zu zehn Jahren, die digitale Geräte häufig als Spielzeuge einordnen.“
Problemsituationen üben
Auch wenn manche Kinder sich schon früh in sozialen Netzwerken bewegen oder Messaging-Dienste nutzen: Bei den meisten Anbietern liegt das Mindestalter laut Nutzungsbedingungen erst bei 13 Jahren oder höher. Eltern und Lehrerinnen und Lehrer sollten deshalb nicht nur aufmerksam die entsprechenden Nutzungsbedingungen lesen, sondern sich auch über die aktuell gültige Rechtslage informieren. „klicksafe“ (http://www.klicksafe.de), eine EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz, ist dafür zum Beispiel eine gute erste Anlaufstelle.
Hilfreich sei außerdem, so Sabine Eder, dem Nachwuchs immer wieder das Gespräch anzubieten. Sollte das Kind in der digitalen Welt etwas finden, das ihm Angst mache, stehe man als Gesprächspartner bereit. Ansprechpartner müssen dabei nicht immer Erwachsene sein. „Kinder können sich auch untereinander besprechen, in kleinem Kreis, und direkt auf eine Person zugehen. Man darf also ruhig darauf hinweisen, dass Kommunikation auch außerhalb der digitalen Welt stattfindet. Manchmal befindet sich jemand dafür Geeignetes nur ein Klassenzimmer weiter.“
Gemeinsam Vereinbarungen treffen
Sinnvoll ist, zusammen individuelle Absprachen über die Nutzungsdauer oder den Nutzungsumfang zu treffen. „Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich als selbstwirksam erleben. Dass sie erkennen, auch etwas zu sagen zu haben.“ Ein guter Ausgangspunkt für Vereinbarungen können Sabine Eder zufolge sogenannte Mediennutzungsverträge (https://www.mediennutzungsvertrag.de) sein, ein gemeinsames Angebot von klicksafe (http://www.klicksafe.de) und des Vereins Internet-ABC (http://www.internet-abc.de). „Sie sind ein kreativer Weg, eigene Bedürfnisse zur Sprache zu bringen – aufseiten der Kinder ebenso wie auf Elternseite.“ Ausreichend sei dabei schon ein Vertragsumfang von einer Seite – andernfalls fühle man sich oft nicht mehr richtig frei. „Diesen Vertrag kann man nach einer gewissen Zeit noch mal überarbeiten. Eventuell lassen sich dann einzelne Punkte streichen oder durch andere ersetzen.“
Ausgleiche schaffen
In dem Medienratgeber „Schau hin!“ (https://www.schau-hin.info) finden Erziehende Hinweise, welche Geräte und welche Zeiten für welche Altersgruppe angemessen sind. Darüber sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Kinder ganz unterschiedlich mit digitalen Medien umgehen. „Ein Rat, den ich geben kann, ist, bei der Nutzung von Smartphone & Co nicht nur auf die Uhr zu schauen, sondern vor allem darauf, was der Inhalt mit dem Kind macht“, sagt Sabine Eder. Darüber hinaus verlangten manche Apps einfach mehr Zeit, um sich sinnvoll mit ihnen beschäftigen zu können. Wichtig sei eine Ausgleichszeit: „Nach der Nutzung von Geräten kann es hilfreich sein, mit dem Kind rauszugehen, damit es auch wieder seinen Körper spürt.“
Digitale Mitmach-Möglichkeiten
Google Expeditionen ist eine Virtual-Reality-App für den Unterricht, die es möglich macht, unbekannte Welten im Schulkontext zu erforschen.
Open Roberta ist eine Plattform des Fraunhofer Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS), über die Lehrende sowie Schülerinnen und Schüler im Handumdrehen Grundlagen des Programmierens lernen können. Lehrende können an kostenlosen Schulungen teilnehmen.
Google CS First ist ein online frei verfügbares Kursprogramm, das es Lehrkräften oder Eltern ermöglicht, Kinder ohne Vorkenntnisse spielerisch an das Thema Informatik heranzuführen.
Calliope mini ist ein „Mikrocontroller“, mit dem Lehrkräfte schon Kindern im Grundschulalter Zugang zur digitalen Welt und zum Programmieren eröffnen können.