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Künstliche Intelligenz in der Medizin
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Was ist Künstliche Intelligenz?

Das erklärt ein Video auf der Website KI-Campus in gerade einmal zwei Minuten: Unter Künstlicher Intelligenz versteht man demnach Software- und Robotik­systeme, die abstrakte Aufgaben und Probleme eigenständig lösen können, die eigentlich menschliche Intelligenz voraus­setzen. Dafür werden KI-Systeme „mit Wissen und Erfahrung ausgestattet“. Entweder, indem jeder einzelne Arbeits­schritt programmiert wird, oder mit Programmen, die selbst aus Daten lernen können. Der Begriff bezeichnet außerdem das Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Entwicklung von KI-Systemen beschäftigt.

Wie lernt KI?

Die Basis von KI sind Algorithmen, also exakt definierte Handlungs­vorschriften, die mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Lösung einer Mathematik­aufgabe oder mit einer Spiele­anleitung vergleich­bar sind. In modernen KI-Systemen lernen Algorithmen laufend dazu – durch vom Menschen gesteuertes Training oder selbst­ständig. So kann die KI auch wieder­kehrende Aufgaben oder Probleme unter veränderten Bedingungen bewältigen.

Damit KI-Systeme eigenständig lernen können, müssen sie zunächst mit vielen Daten trainiert werden. Beim maschinellen Lernen werden „spezielle Algorithmen eingesetzt, die in Beispiel­daten Muster und Gesetz­mäßigkeiten erkennen“, um sie dann auf neue Daten anzuwenden, heißt es auf der Plattform für Künstliche Intelligenz der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Oft können Menschen gar nicht mehr nachvollziehen, wie Maschinen lernen, Stichwort „Blackbox“. Im Bereich Medizin fordern Ärzt:innen daher mehr Transparenz, um maschinelles Lernen besser kontrollieren zu können.

Bei den derzeit eingesetzten KI-Anwendungen in der Medizin handelt es sich um schwache KI. Das heißt, diese Systeme werden zur Lösung klar definierter Aufgaben „mit einer festgelegten Methodik“ eingesetzt. Ihre Lern­fähigkeiten beschränken sich „zumeist auf das Trainieren von Erkennungs­mustern“ oder auf „das Abgleichen und Durch­suchen von großen Daten­mengen“, so die Definition auf der Website der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Bisher übernimmt die KI im Mensch-Maschine-Tandem lediglich Routine­aufgaben in assistierender Funktion und ist mit menschlicher Intelligenz nicht vergleichbar: KI-Anwendungen können zum Beispiel nicht logisch denken oder eigenständige Entscheidungen treffen wie Ärzt:innen. Sie können aber in kürzester Zeit große Daten­mengen ermüdungsfrei auf bestimmte Muster durch­suchen – darin sind sie dem menschlichen Gehirn überlegen.

Was geht schon? Was kommt bald?

Diagnostik durch Mustererkennung

In der Onkologie analysieren bilddiagnostische Systeme mittels Bilder­kennungs­software diagnostische Aufnahmen und erkennen pathologische Veränderungen oft schneller und zuverlässiger als Mediziner:innen. Bösartige Melanome (schwarzen Hautkrebs) und andere Haut­veränderungen identifizierten Algorithmen zum Beispiel in einer inter­nationalen web­basierten Studie (Universität Wien, 2019) besser als Dermatolog:innen.

Damit die Algorithmen zum Beispiel Hautkrebs auch zuverlässig bei Menschen aller Hautfarben erkennen, müssen sie mit entsprechenden Daten trainiert werden.

KI-Systeme finden auch Krebsvorstufen während Magen- oder Darm-Spiegelungen oder kleinste Knötchen auf Lungen­auf­nahmen. Allerdings schlagen sie manchmal schon bei wenig oder nicht therapie­relevanten Veränderungen an, und das könnte Patient:innen womöglich unnötig beunruhigen oder zu einer Über­behandlung führen. Daher sollten Ärzt:innen unbedingt KI-basierte Befunde immer als letzte Instanz prüfen und einordnen, um eine adäquate Behandlung sicherzustellen.

Auch in vielen anderen medizinischen Fachbereichen diagnostizieren KI-Systeme Krankheiten erfolgreich: In der Kardiologie erkennt etwa ein neuronales Netzwerk Anzeichen für Herzinfarkte genauso gut wie Herz­spezialist:innen. Und in einer Studie schneidet eine KI bei der Bestimmung der links­ventrikulären Ejektions­fraktion, des wichtigsten Parameters für die Pumpleistung des Herzens, „mindestens so gut“ ab „wie erfahrene Ärzt:innen“, berichtet das Deutsche Ärzteblatt.

Früherkennung von Erkrankungen

In der neurologischen Diagnostik entdecken schon heute KI-Systeme auf MRT-Aufnahmen Alzheimer und seltene Demenz­erkrankungen bereits Jahre im Voraus, was die Chancen der Patient:innen auf ein möglichst langes, „normales“ Leben erhöht. Denn je früher Demenz­erkrankungen entdeckt werden, desto besser können sie auch verzögert werden.

Eine präventive Therapie kann oft sogar verhindern, dass Patient:innen krank werden. So gelingt es schon heute, mit einer medikamentösen Behandlung von Personen mit hohem Cholesterinspiegel zu verhindern, dass kardio­vaskuläre Probleme über­haupt entstehen.

KI-gestützte Bildgebung

KI-basierte bildgebende Systeme wie MRT- oder Röntgengeräte führen Anwender:innen effektiv und zügig durch die Untersuchung. Durch die digitale Optimierung der Aufnahmen am Ende entstehen glasklare Bilder ohne störendes Rauschen – eine wichtige Voraus­setzung für genaue Untersuchungs­ergebnisse.

KI-Assistenz im Operations­saal

KI hilft Chirurg:innen auch, sich während der Operation besser zu orientieren. So wird beispiels­weise bei einer Aneurysma-OP eine KI-gestützte 3-D-Ansicht über ein Live-Röntgenbild gelegt. Die Ärzt:innen sehen also in Echtzeit, was sie gerade machen. Sie können wesentlich schneller und präziser arbeiten – ohne die durch die Blutbeule gedehnten dünneren Gefäßwände zu verletzen.

Bei minimal-invasiven Eingriffen führen KI-basierte Roboter schon heute „kleinste Schnitte mit höchster Präzision“ aus. Zwar wird die Chirurgie in Zukunft „immer technischer“ werden. Dennoch „steht die Entwicklung hin zu automatisierten Operationen erst ganz am Anfang“, schreibt Silvio Wenzel in seinem lesenswerten Beitrag „Roboter im Operations­saal“. Noch haben intelligente Robotiksysteme nur eine assistierende Rolle, denn sie können nicht wie Chirurg:innen die Vielzahl von notwendigen Entscheidungen während einer OP treffen. Und sie können auch kein Erfahrungs­wissen nutzen.

KI in der Psycho­therapie

Psychotherapeut:innen fehlen an allen Ecken und Enden. Therapien sind teuer und für viele Patient:innen auch scham­behaftet, weil sie Stigmatisierungen befürchten. In solchen Fällen wäre KI eine Lösung.

Doch kann ein KI-Chatbot Psychotherapeut:innen ersetzen? Bisher noch nicht. Redakteur:innen der Neuen Zürcher Zeitung haben die Mental-Health-App „Wysa“ getestet. Diese nutzen Menschen in Großbritannien, um die Warte­zeit für einen Therapie­platz zu überbrücken. Fazit ihres Video-Beitrages: Bei „sehr simplen Emotionen“ kommt der Chatbot gut mit, doch bei komplexeren Themen steigt er aus.

Es gibt bereits erste Versuche, bei denen eine KI reale Therapeut:innen unter­stützt. In einem Projekt des Universitäts­klinikums Tübingen soll zum Beispiel die telepsychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Zwangs­störungen verbessert werden. Dazu messen smarte Sensoren bestimmte Daten, etwa Veränderungen der Herzfrequenz oder Bewegungen der Augen, die dann KI-basiert blitzschnell ausgewertet werden, um Stress­reaktionen oder symptom­aus­lösende Reize zu identifizieren. Die Ergebnisse werden dann in Echt­zeit an die Therapeut:innen zurück­gemeldet.

Intelligente Kommunikations­anwendungen

Intelligente Kommunikationssysteme vereinfachen und beschleunigen die Kommunikation zwischen Ärzt:innen, Patient:innen und Pflegenden:

  • Sprach- oder Chatbots übernehmen in Arztpraxen zum Beispiel die Termin­vereinbarung oder bringen die Nach­erstellung von Rezepten auf den Weg.
  • Symptom-Checker-Apps helfen Patient:innen bei der Entscheidung, ob ein:e Fächärzt:in aufgesucht werden sollte.
  • Seit 2021 bietet die Kassenärztliche Bundes­vereinigung das „Patienten-Navi online“ an, ein digitales Dialogsystem für Hilfesuchende in Notfällen.
  • Die Städtischen Kliniken Mönchengladbach testen ein KI-basiertes Assistenzsystem für die schnelle und oft lebens­rettende Priorisierung in der Notaufnahme.

KI gegen Corona

KI kann auch in vielerlei Hinsicht zur Bewältigung akuter Gesundheitskrisen beitragen, wie die Corona­pandemie gezeigt hat. Hier beschleunigten KI-Systeme den Wissens­austausch der Forscher:innen weltweit enorm. Bei der Suche nach Impf­stoffen und Medikamenten halfen beispiels­weise KI-gestützte Vorhersagen bezüglich der Struktur des Virus. Und bei der Beobachtung des Virus und bei Prognosen zu seiner Ausbreitung und zur Entwicklung der Pandemie spielte KI ebenfalls eine wichtige Rolle. Selbst bei der bild­gestützten Diagnose und bei der Entwicklung von Test-Kits hatte KI einen wesentlichen Anteil.

Mehr Freiraum für Pflege­kräfte

Die Zahl von Pflegebedürftigen oder Patient:innen in Kliniken und Pflege­einrichtungen ist groß und wird in den nächsten Jahren in Deutschland noch weiter wachsen.

Hier könnten zum Beispiel Pflegeroboter das Pflegepersonal entlasten, wie erste Versuche zeigen: Sie können Türen öffnen, vorlesen oder Senior:innen zur Einnahme von genügend Flüssigkeit oder von Medikamenten bewegen.

Aufgaben beim zeitaufwendigen Monitoring von Patient:innen könnten intelligente Matratzen beziehungs­weise Betten übernehmen. Sie verhindern bei bett­lägerigen Menschen nicht nur Dekubitus, sondern beobachten auch Vital­parameter, stimulieren zu Bewegungen oder regen die Blutzirkulation an.

Individuelle Lösungen für Patient:innen

In der personalisierten Medizin, auch Präzisions­medizin genannt, generiert KI aus großen Datenmengen Behandlungs- oder Medikations­empfehlungen, die individuell auf die Patient:innen zugeschnitten sind.

Derzeit wird beispielsweise am Universitäts­klinikum in Leipzig ein KI-basiertes Tool zur Behandlung von Blutkrebs entwickelt. Das System wertet große Daten­bestände aus, um den behandelnden Ärzt:innen bei komplexen (= multifaktoriellen) Blut­erkrankungen exakt die präzisions­medizinischen Therapien vor­zu­schlagen, die in vergleichbaren Fällen zum bestmöglichen Ergebnis geführt haben.

Das könnte dann ganz neue Perspektiven eröffnen, etwa bei der Früherkennung von Krankheiten, bei Prognosen über den Krankheits­verlauf oder bei der Suche nach den bestmöglichen Therapien.

Ausblick

Die fortschreitende Digitalisierung in der Medizin bringt riesige Datenmengen aus den verschiedensten Quellen mit sich (elektronische Patienten­akten, Gesundheits-Apps oder Befunde und Dokumentationen aus Kliniken und Praxen). Ihre Zahl wird in den nächsten Jahren exponentiell wachsen. Wenn es gelingt, die großen, komplexen Daten­mengen zu strukturieren und angemessene Daten­schutz­lösungen zu finden, eröffnet das für den Einsatz von KI viele Chancen:

  • Durch eine schnelle Datenauswertung und das Erkennen komplexer Zusammenhänge kann KI medizinische Forschung in hohem Tempo voranbringen.
  • Krankheiten können noch schneller erkannt und KI-gestützte Diagnosen und Prognosen weiter­entwickelt werden.
  • Die jeweils neuesten Erkenntnisse, zum Beispiel optimale Behandlungs­strategien und Anwendungs­fälle, könnten ganz schnell dort verfügbar sein, wo Ärzt:innen ihre Therapie­entscheidungen treffen: vor Ort in Kliniken oder Praxen.
  • Das medizinische Fachpersonal würde bei Routineaufgaben entlastet und hat so mehr Zeit für die Betreuung und die Beratung der Patient:innen.

All das wären wichtige Schritte auf dem Weg zu einer an Patient:innen orientierten Gesundheitsversorgung.

Quellen