ZEIT für die Schule
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Frau Zorn, Sie haben hauptsächlich mit Schülerinnen und Schülern aus den achten, neunten Klassen zu tun. Wissen die Kinder, was eine seriöse Nachricht und was guter Journalismus ist?
Die Schülerinnen und Schüler können ja in aller Regel ein Handy und einen Computer bedienen und auf Internetseiten surfen. Man vermutet dann schnell, dass sie auch wissen, wie man eine Nachricht konsumiert. Dem ist aber nicht so.
Altersunabhängig ist in ganz Deutschland die Nachrichtenkompetenz bei Schülerinnen und Schülern zu wenig ausgebildet. Und hier wird bislang auch zu wenig angesetzt – im Gegensatz zur Vermittlung der Medienkompetenz, die doch sehr im Fokus der Stundenpläne steht.

Bei Lehrkräften sieht es übrigens nicht anders aus. Wir starten Fortbildungen ja häufig mit einem Spiel, in dem es gilt, „Fake“ und „No Fake“ zu unterscheiden. Da ist man schon überrascht, wie viele Menschen auf Falschnachrichten hereinfallen.

Mit „spreu X weizen“ wollen Sie das ändern. Wie funktioniert das Projekt?
Wir bieten verschiedene Workshops an, in denen wir Lehrkräften beibringen, wie sich die Spreu vom Weizen trennen lässt, wie sich also gute von falschen Nachrichten unterscheiden. Wie lese ich eine Nachricht? Wie überprüfe ich eine Quelle? Welche Nachrichtenportale gibt es, und wie arbeiten Journalistinnen und Journalisten? Und wie kann man dieses Wissen den Jugendlichen vermitteln?

Zusätzlich bilden wir Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Nachrichtenkompetenz aus. Junge Leute also, die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr in Politik oder Pädagogik absolvieren und die nach unserer Schulung ihr Wissen in Bildungseinrichtungen weitergeben.

Mintje Zorn
© Isabel Reda

Mintje Zorn studierte Sozialwissenschaften in Oldenburg und absolvierte anschließend den Master Öffentliche Kommunikation an der FSU Jena. Seit Anfang 2020 betreut sie „spreu X weizen“, ein politisches Bildungsprojekt zur Förderung von Nachrichtenkompetenz an sächsischen Schulen.

Teilweise gehen Sie mit Journalistinnen und Journalisten in die Schulen. Wie kommt das an?
Wir stellen immer wieder fest, dass Journalistinnen und Journalisten in der Altersgruppe gar nicht so bekannt sind und auch nicht per se cool gefunden werden. Genauso ist es unter 16-Jährigen nicht unbedingt verbreitet, die „Tagesschau“ zu gucken.

Aber wir versuchen sie da abzuholen, wo sie stehen. Deshalb beziehen wir auch das Smartphone in den Unterricht mit ein, was in der Schule ja meistens verboten ist. Aber es ist nun mal das Medium, über das sich Teenager informieren. Wir thematisieren dann beispielsweise Influencer und deren mögliche Rolle im Journalismus.

Wie erklären Sie Jugendlichen, dass Journalismus wichtig in einer Demokratie ist?
Journalismus wird ja häufig als „vierte Gewalt im Staat“ bezeichnet – und natürlich ist es in einer Demokratie wichtig, einen unabhängigen Journalismus zu haben, der kritisch über Politik berichtet.

Erklären kann man das aktuell mit Blick auf die aktuelle Lange in Polen. Dort hat das Parlament ein Mediengesetz verabschiedet, das als Versuch gilt, das unabhängige und regierungskritische Sendernetzwerk TVN zum Schweigen zu bringen. Die Jugendlichen verstehen dann ganz gut, dass es in einer Gesellschaft ein sehr hohes Gut ist, Menschen zu haben, die kritisch und unabhängig informieren.

Erklären Sie den Jugendlichen, wie sie damit umgehen können, wenn ihre Freundinnen und Freunde beispielsweise Fake News oder Verschwörungserzählungen verbreiten?
Ja. Unsere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besuchen Argumentationsworkshops, in denen sie lernen, wie sie sowohl mit rechtspopulistischem Gedankengut als auch mit Falsch-Erzählungen umgehen können. Denn man muss wirklich lernen, gegen menschenverachtende Meinungen und entsprechende Narrative zu argumentieren. Das geben sie dann in den Schulen an die Jugendlichen weiter.

Was raten Sie Lehrkräften, die das Thema „Fake News“ im Unterricht behandeln wollen?
Gut ist immer, sich auf aktuelle Themen zu beziehen. Man könnte sich vor der Bundestagswahl beispielsweise fragen, wie Fake News Wahlkämpfe beeinflussen. Wir sehen momentan in Deutschland sehr gut, dass insbesondere Annalena Baerbock Opfer von Falschnachrichten wird. Oder man nimmt Afghanistan oder die Flutkatastrophe in NRW und Baden Württemberg, zu denen zahlreiche falsche Informationen kursierten.

Als Lehrkraft kann man sich gut auf Seiten wie correctiv.org oder mimikama.at informieren, genauso beim „faktenfinder“ der ARD oder dem „Faktenfuchs“. Dort bekommt man schnell eine Übersicht, zu welchen Themen aktuell Faktenchecks gemacht wurden, und kann sie in den jeweiligen Fachunterricht einbeziehen. In Zeiten der Pandemie bietet es sich sicher auch immer wieder an, in Mathe oder Biologie über das Coronavirus und entsprechende Verschwörungserzählungen zu sprechen.