Mit Unterstützung der Initiative der Hochschulen in Sachsen-Anhalt
Um für den späteren Start ins Berufsleben vorbereitet zu sein, bilden Studierende an der Hochschule fachliche Kompetenzen aus und vertiefen Interessenschwerpunkte. Doch Wissen allein ist nicht alles. In der Diskussion mit anderen, durch (Selbst-)Organisation und Kooperation in der Gruppe schulen Studierende auch soziale und persönliche Fähigkeiten. Kurz: Sie entwickeln sich in ihrer Persönlichkeit weiter. Dass sie diesen Effekt wahrnehmen, ergab eine Umfrage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Studiensituation und studentischen Orientierungen an Universitäten und Fachhochschulen im Wintersemester 2015/2016. Demnach bestätigten 79 bis 84 Prozent der Studierenden, hochschulisch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert worden zu sein. Betrachtet man die zeitliche Entwicklung, so heißt es in der Auswertung zur Umfrage, stagnieren die Werte im Vergleich zu 2004 allerdings. Dabei kann eine starke Persönlichkeit im Bewerbungsprozess um einen Job am Ende ähnlich wichtig sein, wie es gute Leistungen im Studium sind – einen Ansatz, den auch „Wirklich weiterkommen“, eine Initiative der Hochschulen in Sachsen-Anhalt, verfolgt.
Dr. Petra Kabisch, Studienberaterin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, erzählt dass viele Studentinnen und Studenten, die zu ihr in die Beratung kommen, den persönlichen Faktor unterschätzen. „Viele lesen Jobausschreibungen und meinen, dass sie die Anforderungen niemals erfüllen. Sie sind eingeschüchtert und vergessen darüber, dass die eigene Persönlichkeit nicht nur über ihre Noten definiert wird, sondern von vielen Kompetenzen, die im Studium erworben wurden und zur Lösung von Problemen befähigen“, sagt sie. Die Studierenden haderten damit, womöglich nicht gut genug für die Gesellschaft zu sein oder etwas falsch zu machen. Für manche steht allein fachliches Lernen im Fokus – was fatal sein kann. „Auf der Jagd nach guten Noten treibt sie das Gefühl um, in einem Hamsterrad zu stecken“, sagt Kabisch. Am Ende trage natürlich auch die Bewältigung der hohen akademischen Anforderungen zur persönlichen Entwicklung bei, gibt sie zu. Für Studierende sei es jedoch genauso wichtig, über den Tellerrand ihres jeweiligen Studienfaches zu schauen und jenseits allen fachlichen Lernens die Hochschule als Entwicklungsraum zu nutzen. „An Fakultäten gibt es Fachschaften mit Projektgruppen, in denen sich Studierende ausprobieren können. Daneben gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich politisch oder sozial zu engagieren. Außerhalb des Faches Erfolge zu sammeln, ist ungemein wichtig“, so die Studienberaterin. „Man lernt im Austausch mit anderen, Herausforderungen und Konflikte zu bewältigen, sich zu behaupten“, erklärt sie. „Das positive Selbstwertgefühl, das Studierende daraus ziehen können, ist am Ende auch gut für das fachliche Studium.“ Man gehe zum Beispiel viel positiver an eine Klausur heran, wenn man in anderen Feldern schon oft erlebt habe, schwierige Situationen meistern zu können.
Studierende haben häufig das Problem, dass sie die Lehrkräfte auf einen Sockel heben. Gefühlt sind das dann unerreichbare Personen, die man auf keinen Fall ansprechen kann.
Dr. Petra Kabisch, Studienberaterin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Als besonders wichtig, um Unsicherheiten innerhalb des Faches souverän zu begegnen, sieht sie auch den persönlichen Kontakt zu den Lehrenden. „Studierende haben jedoch häufig das Problem, dass sie die Lehrkräfte auf einen Sockel heben. Gefühlt sind das dann unerreichbare Personen, die man auf keinen Fall ansprechen kann“, erzählt Petra Kabisch. „Dabei sind ProfessorInnen und andere Lehrkräfte Menschen, die ihr Fach aus Leidenschaft gewählt und deshalb auch ein Interesse daran haben, es den Studierenden oder SchülerInnen näher zu bringen. Letztere sollten sich also ruhig häufiger trauen, in Kontakt zu treten, Fragen zu stellen, Problemlösungen zu diskutieren.“ Umgekehrt ist es aus ihrer Sicht förderlich, wenn Lehrende explizite Angebote zum Austausch machen. „Zum Beispiel, indem sie ihre Veranstaltung ein paar Minuten früher beenden, mit dem Stuhl näher rücken und ganz direkt zum Gespräch einladen.“ Eine Basis dafür kann ein guter Betreuungsschlüssel sein, wie ihn neben der Otto-von-Guericke-Universität auch alle weiteren an der Initiative „Wirklich weiterkommen“ beteiligten Hochschulen haben. Dann sei in der Regel mehr Zeit vorhanden, um entsprechende Angebote machen zu können, so Kabisch. Gespräche auf Augenhöhe, je nach Anlass auch über gesellschaftliche und private Themen, sind es am Ende, die ihrer Einschätzung nach Ängste abbauen können. Wer durch den Austausch feststellt, dass eine Dozentin oder ein Dozent genauso wie man selbst ein Leben außerhalb der Uni hat, Hobbys pflegt und in seiner Forschung davon profitiert, wenn Studierende neue Gedanken einbringen, traut sich eher, Lehrende anzusprechen und um Unterstützung zu bitten. „Bei einer Hausarbeit holt man sich dann fachliche Rückversicherung und erlebt im besten Fall durch ein positives Feedback einen Motivationsschub. Auf jeden Fall fühlt man sich mehr ernst genommen und stärker abgeholt“, erklärt Kabisch. Allgemein könne man sagen, dass ein guter Kontakt zu Lehrenden auf der Seite der Studierenden meist zu Arbeitserleichterung und einer freieren Entfaltung führt. Oder anders: „Ohne Angst und Hemmungen im Bauch lernt es sich einfach besser.“
Ob noch während der Orientierungsphase in der Schule oder schon während des Studiums: Eltern und Lehrenden rät Studienberaterin Dr. Petra Kabisch, die von ihnen betreuten jungen Menschen grundsätzlich darin zu bestärken, den Weg zu gehen, den sie gehen wollen. „Man sollte immer spiegeln: ‚Du schaffst das! Und selbst wenn nicht: Ich stehe hinter dir!’“, sagt sie. Viele hätten große Angst davor, das eigene Umfeld zu enttäuschen. „Diese Angst kann man als Elternteil oder Lehrkraft nehmen, indem man Unterstützung anbietet – egal, was passiert.“ Geht es darum, Schülerinnen und Schüler beziehungsweise die eigenen Kinder auf die Studienzeit vorzubereiten, können Lehrkräfte und Eltern noch weitere Vorarbeit leisten. „Hilfreich ist es Schüler zu ermuntern, ihnen Mut zu machen, sie in ihren Interessen zu bestärken oder vielleicht auch gemeinsam heraus zu finden, was sie interessieren könnte – zum Beispiel, indem man in der Klasse auch mal Raum für persönlichen Austausch gibt“, so Kabisch. Und in Krisensituationen? „Dann ist ein guter erster Schritt immer, den Blick mit gezielten Fragen auf das Positive zu lenken: Was hat man schon geschafft? Was sind die eigenen Stärken? Es ist oft mehr, als man denkt!“