
Jungen Menschen wird häufig Politikverdrossenheit unterstellt – zu Unrecht. Bei der Juniorwahl 2025, Deutschlands größtem Schulprojekt zur politischen Bildung, beteiligten sich über zwei Millionen Schülerinnen und Schüler aus mehr als 7.000 Schulen. Das entspricht einer Steigerung von etwa 33 Prozent im Vergleich zur letzten Juniorwahl 2021. Die Initiative gibt Kindern und Jugendlichen die wertvolle Gelegenheit, sich aktiv mit demokratischen Prozessen auseinanderzusetzen. Dies ist besonders wichtig, da die frühe politische Sozialisation entscheidend ist für ein höheres und stabileres politisches Engagement im Erwachsenenalter, wie die Studie „Jugend wählt“ der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt.
Bleibt dieses Engagement in jungen Jahren aus, ist nicht Desinteresse das Problem: Vielmehr fühlen sich Jugendliche laut der Studie „genNow: Junges Engement für sozialen Wandel“ häufig nicht gehört und nicht ernst genommen. Das liegt nicht nur daran, dass sie demografisch unterrepräsentiert sind und damit nicht zu den Hauptwählergruppen zählen – es mangelt auch an Beteiligungsmöglichkeiten. Dabei zeigt die Studie auch, dass viele Minderjährige durchaus bereit wären, sich vor allem auf lokaler Ebene zu engagieren. Hier sehen sie die größte Chance, Veränderungen zu bewirken. Um die junge Generation stärker in lokale Entscheidungsprozesse einzubeziehen, schlagen die Autorinnen und Autoren der Studie unter anderem fest verankerte Gremien wie beispielsweise Jugendbeiräte vor.
2025: Diese Themen bewegen unter 18-Jährige
ZEIT für die Schule hat die Bundestagswahl 2025 zum Anlass genommen, um jungen Menschen eine Stimme zu geben. Neben einem Arbeitsblatt, das Lehrkräften zur vorgezogenen Bundestagswahl bereitgestellt wurde, hat ZEIT für die Schule seine Community gebeten, die Wünsche von Schülerinnen und Schüler an die neue Bundesregierung einzusenden. Hier eine Auswahl:
Aufwertung und Anerkennung sozialer Arbeit
- „Wir fordern, dass Hausarbeit vergesellschaftet und sichtbar gemacht wird.“
- „Care-Arbeit und Hausarbeit soll auf die Rente angerechnet werden.“
- „Wir fordern eine bessere Bezahlung von sozialen Jobs. Diese sollten nicht an schulischen Qualifikationen gemessen werden, sondern an ihrer sozialen und gesellschaftlichen Bedeutung.“
- „Wir fordern eine gerechtere Behandlung und Bezahlung für alle Menschen, die soziale Arbeit leisten. So würden die Berufe attraktiver werden, und es gäbe mehr Fachkräfte.“
- „Wir fordern eine höhere Bezahlung für Menschen, die mit einem abgeschlossenen Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in sozialen Bereichen arbeiten wollen.“
- „Wir fordern die Einführung eines FSJ-Gehalts. Aus Freiwilliges Soziales Jahr wird Bezahltes Soziales Jahr.“
Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft
- „Wir fordern, dass Unternehmen zum Gemeinwohl beitragen. Sie sollten Maßnahmen und Forderungen befolgen, die beispielsweise zum Klimaschutz beitragen. Die Unternehmen sollten regelmäßig daraufhin geprüft werden.“
- „Wir fordern, dass öffentliche Investitionen ausschließlich in nachhaltige Fonds/Anlagen investiert werden. So könnte eine systematische Veränderung hin zu einer klimaneutralen Zukunft eingeleitet werden.“
- „Wir fordern, dass künstliche Intelligenz dafür genutzt wird, den Transformationsprozess zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft, Energiegewinnung, Bildung und Infrastruktur zu gestalten.“
Stärkung der Gemeinschaft und sozialen Gerechtigkeit
- „Wir fordern pro Stadtteil freiwillige Verbände, die sich mit einem Teil ihres Budgets um Jugend (bspw. Kulturzentren) und Integration kümmern.“
- „Vermieterinnen und Vermieter werden enteignet. Sie können eine Festanstellung in ihrem Haus oder ihrer Hausverwaltung bekommen. Kleine Vermieterinnen und Vermieter bekommen eine existenzsichernde Entschädigung.“
- „Wir fordern, dass Häuser von den Bewohnenden selbst verwaltet werden.“
Jugendliche wünschen sich mehr Politik im Unterricht
Auch Schulen spielen eine wichtige Rolle bei der politischen Bildung und der demokratischen Teilhabe. Laut einer Befragung der Liz Mohn Stiftung in Kooperation mit IPSOS wünschen sich 69 Prozent der befragten Jugendlichen, dass aktuelle politische Themen verstärkt im Unterricht behandelt werden sollten. Das ist besonders relevant, da junge Menschen stark von aktuellen Geschehnissen beeinflusst werden. Im Gegensatz dazu spielt die Identifikation mit einer Partei bei jüngeren Menschen eine wesentlich kleinere Rolle als bei älteren, wie eine Analyse in der Zeitschrift „Perspektiven ds“ zeigt.
Wenn Lehrkräfte politischen Themen im Unterricht mehr Platz einräumen, hat das viele positive Effekte. Indem sie Hintergrundwissen und die Funktionsweise politischer Systeme vermitteln, stärken sie das Verständnis und Interesse an politischen Prozessen. Wie stark dieses Interesse vom Bildungshintergrund abhängt, verdeutlicht der Sozialbericht 2024 der Bundeszentrale für politische Bildung. Jugendliche, die von engagierten Lehrkräften gefördert werden, entwickeln ein tieferes Verständnis und beteiligen sich stärker an politischen Themen. Dazu gehören auch praktische Erfahrungen, die ihnen die Gelegenheit geben, sich Gehör zu verschaffen und aktiv an demokratischen Strukturen teilzunehmen.