ZEIT für die Schule
Schülerin beim Training
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Artikel

Im Rahmen ihres Projektes „HealthApps4Teens“ haben die beiden Forscherinnen außerdem das Angebot von Gesundheits-Apps speziell für Jugendliche gesichtet – mit einem ernüchternden Fazit: In dem hochdynamischen, stark wachsenden Markt gleiche der Versuch, eine qualitativ hochwertige und seriöse App für diese Zielgruppe zu finden, der Suche nach „einer Nadel im Heuhaufen“.

Unterrichtsziel: digitale Gesundheitskompetenz

Auch das geht aus dem Health4Teens-Report klar hervor: Die „Motivation, gesund zu bleiben, etwas Gutes für sich zu tun oder die eigene Gesundheit zu verbessern“ stand bei den befragten Jugendlichen „im Vordergrund“: Fitness- und Sport-Apps sowie Ernährungs- oder Abnehm-Apps werden häufig genutzt.

Im Unterricht geht es also darum, die Schülerinnen und Schüler zum einen dabei zu unterstützen, im Angebotsdickicht für sie geeignete Gesundheits-Apps zu identifizieren, um zum anderen das gesundheitsfördernde Potenzial dieser Tools sicher zu nutzen. Die Hintergrundinformationen und Praxistipps in diesem Beitrag unterstützen Sie bei der Vermittlung der dafür erforderlichen digitalen und gesundheitsbezogenen Kompetenzen.

Hierzu im Folgenden drei Groblernziele, die auch gleich den Ablauf einer Unterrichtseinheit in verschiedenen Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I skizzieren:

  1. Die Jugendlichen lernen verschiedene Arten von Gesundheits-Apps und ihre Anwendungsbereiche kennen.
  2. Sie üben, anhand bestimmter Kriterien die Qualität einer App zu bewerten und ihren gesundheitsbezogenen Nutzen einzuschätzen.
  3. Sie erkennen potenzielle Risiken und erfahren, worauf sie bei den Daten-schutzbestimmungen achten sollten.

Spielen Sie insbesondere Punkt 2 und 3 mit den Jugendlichen immer wieder anhand wechselnder (App-)Beispiele durch, damit sie die Routinen verinnerlichen und sowohl die erforderlichen digitalen als auch gesundheitsbezogenen Kompetenzen über die verschiedenen Jahrgangsstufen zunehmend erwerben.

Blitzumfrage zum Einstieg

Starten Sie zum Einstieg ins Thema mit einer kurzen Umfrage: Wie viele Gesundheits-Apps haben die Jugendlichen auf ihrem Handy? Welche? Wofür und wie häufig werden sie genutzt?

Die genannten Apps und ihre Zweckbestimmung halten Sie an der Tafel oder am Whiteboard fest und ergänzen die Liste im anschließenden Unterrichtsgespräch um weitere Tools aus den drei in der Fachliteratur und im Gesundheitswesen gängigen Anwendungsbereichen von Gesundheits-Apps: Gesundheitsförderungs-, Präventions- und Medizin-Apps. Welche Apps in welche dieser drei Kategorien gehören, erläutert der Artikel „Gesundheits-Apps: Hintergrund-Infos für Lehrkräfte“ auf ZEIT für die Schule. Und ausführliche Informationen zu den drei Anwendungsereichen von Gesundheits-Apps bietet der Beitrag „Gesundheits-Apps“ von Viviane Scherenberg auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Begriffe klären und „Gesundheits-App“ definieren

Was bedeutet eigentlich Gesundheit? Und was ist eine App? Schülerinnen und Schüler ab Jahrgangsstufe 8 recherchieren die Bedeutungen der beiden Begriffe und führen sie dann in einer Definition von Gesundheits-Apps zusammen. In Jahrgangsstufen der Sekundarstufe II vergleichen die Jugendlichen anschließend ihre Lösung mit einer in medizinischen Fachkreisen gängigen Definition, die sich an den Gesundheitsbegriff der WHO anlehnt: Gesundheits‐Apps sind „mobile Anwendungen (…), die zum Ziel haben, das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden positiv und nachhaltig auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu beeinflussen“ (Scherenberg und Kramer, 2013, zitiert nach: Health4Teens-Report, S. 8).

Wenn die Schülerinnen und Schüler von ihren persönlichen Erfahrungen mit Gesundheits-Apps erzählen, werden auch schon einige Fachbegriffe wie Fitness-Tracking, Wearables, Hearables oder Smartwatches fallen. Das ermöglicht, weitere Begriffe oder Facetten des Themas anzusprechen. Interessant ist zum Beispiel, wie die User und Userinnen durch Nudging (= Anreize zu gesundheitsförderlichem Verhalten) oder Boosting (= Verstärkung erwünschten Verhaltens) bei der Stange gehalten werden.

Auch die Schattenseiten von Lifelogging (=Lebensprotokollierung) und Self-Tracking (= digitale Selbstvermessung) klingen hier kurz an. Denn der permanente Drang zur Selbstoptimierung wird oft auch zur Sucht.

„Check die App“ per Online-Tool

Medienkompetenz im Kontext Gesundheits-Apps bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler Kriterien für sichere und medizinisch hochwertige Tools kennen und eigenständig anwenden können. Das geht ganz einfach mit dem Online-Tool „Check die App“, das die Techniker Krankenkasse in Zusammenarbeit mit der APOLLON Hochschule in Bremen und dem Leibniz-Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut in Hamburg entwickelt hat. Es gibt Jugendlichen und deren Eltern eine Checkliste mit acht Prüfkriterien an die Hand, die den gesundheitlichen Nutzen und den Schutz der privaten Daten in den Fokus nehmen.

Zunächst sollte der App-Check im Unterricht – oder auch bei einem Elternabend mit Jugendlichen und Erziehungsberechtigten zusammen – geübt werden. Wie Sie dabei vorgehen, zeigt das folgende Beispiel anhand eines Prüfkriteriums:

Prüfkriterium: „Es sind Namen von Personen angegeben, an die ich mich mit Fragen oder im Fall von Problemen wenden kann.“

In dem kurzen Infotext zum Prüf- beziehungsweise Qualitätskriterium finden sich zwar hilfreiche Hinweise für den Check, sie werden jedoch nicht immer auf eine Handlungsebene heruntergebrochen: „Alle Online-Angebote sollten ein Impressum haben, in dem angegeben ist, wer für das Angebot verantwortlich ist. Hier lohnt es sich [sic!] genauer hinzuschauen und zu prüfen, ob es sich um einen seriösen Anbieter handelt.“

Das exerzieren Sie mit den Jugendlichen und gegebenenfalls mit deren Eltern ein paarmal durch, am besten direkt mit den Apps auf deren Smartphones. Zunächst suchen die Userinnen und User das Impressum, das sich oft an ganz unterschiedlichen Stellen im Menü befindet oder manchmal – nicht ganz unabsichtlich – auch schwer auffindbar ist. Oft fehlt die Bezeichnung „Impressum“, und es werden einfach nur Kontaktpersonen, Telefonnummern oder E-Mail-Adressen genannt (oder eben nicht).

Anschließend checken Sie mit der Klasse die Seriosität des Anbieters, zum Beispiel indem Sie die Website genauer unter die Lupe nehmen oder Bewertungen der App suchen. Ein aufwendiges Prozedere, das aber auch zur spannenden Detektivarbeit werden kann, wenn die Schülerinnen und Schüler genau wissen, wie sie dabei schrittweise vorgehen.

Noch ein Hinweis für Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen, Abendschulen oder Gymnasien: Die App gibt es auch in einer für Schüler:innen über 18 Jahre. Diese Version erleichtert den App-Check mit Multiple-Choice-Fragen, die das System dann automatisiert auswertet (Risikoeinschätzung).

Den gesundheitlichen Nutzen einer App einschätzen

In der Regel können Jugendliche (und auch die wenigsten Erwachsenen) den medizinischen Nutzen einer Gesundheits-App nicht beurteilen. An dieser Stelle ist es interessant, zu erfragen, nach welchen Kriterien die Jugendlichen eine Gesundheits-App auswählen:

„Wie und warum hast du dich (haben Sie sich) für die App XY entschieden?“ „Wo hast du dich (haben Sie sich) über die App informiert?“

Anschließend prüfen Sie mit den Jugendlichen den gesundheitlichen Nutzen einiger in der Klasse genutzter Apps mit den Kriterien von „Check die App“, die unter „Nutzen für die eigene Gesundheit“ in den Infotexten direkt umsetzbare Hinweise bieten.

Wenig vertrauenswürdig sind demnach zum Beispiel:

  • „Apps, die große Gesundheitserfolge in kurzer Zeit versprechen“
  • Apps mit fehlerhaften Beschreibungen
  • Apps, die ohne Mitwirkung von Gesundheitsexpertinnen und -experten erstellt wurden
  • Apps, die Diagnosen stellen (!) oder „zu konkreten Behandlungen“ raten

Zuletzt sprechen Sie noch an, wo sich die Schülerinnen und Schüler informieren können (Ärztinnen und Ärzte, Krankenkassen, Eltern, Bewertungen in medizinischen Webangeboten etc.)

In-App-Käufen und Schleichwerbung auf der Spur

Eine weitere Trainingseinheit widmet sich dem Thema In-App-Käufe. Da die Jugendlichen vermutlich eher bei Spiele-Apps für In-App-Käufe (Synonym: In-Game-Käufe) anfällig sind, lässt sich auch eine zusätzliche Unterrichtseinheit anschließen. Auf der Website „klicksafe“ gibt’s dazu ein Quiz von Jugendlichen für Jugendliche.

Schleichwerbung ist für unerfahrene User und Userinnen – insbesondere in den unteren Jahrgangsstufen – schwer zu identifizieren. Hilfreich ist dabei das umfangreiche Arbeitsheft auf der Website internet-abc mit Erläuterungen, Arbeitsblättern und anschaulichen Beispielen für Schülerinnen und Schüler der 3. bis 6. Klasse.

Sensible Daten schützen

Auch die drei Prüfkriterien zu Datenschutz und Sicherheit bei „Check die App“ sollten mit den Jugendlichen durchgegangen und gemeinsam angewendet werden. Hier finden sich in den zugehörigen Infotexten sehr konkrete Anhaltspunkte für die Einschätzung, wie vertrauenswürdig die App rüberkommt:
Eine gute App sollte demnach

  • offenlegen, „welche Daten sie erhebt und ob und für welche Zwecke sie gespeichert werden“
  • möglichst deutlich machen, welche Daten erfasst werden und welche Konsequenzen das „für das Funktionieren der App“ hat
  • Angaben machen, inwieweit Zugriffsberechtigungen (Kontakte, Kamera, Kalender …) erforderlich sind, damit die App funktioniert

Auch Ausschlusskriterien sind klar beschrieben: „Datenschutzerklärungen, die Du erst nach dem Download mühsam findest, sind nicht sehr vertrauenswürdig“, heißt es da. Und: „Ein Link zu irgendeiner Datenschutzerklärung ohne die Möglichkeit einer Zustimmung spricht nicht gerade für einen vertrauensvollen Umgang mit den Daten.“

„Was kann schon passieren, wenn ich zustimme?“

Datenschutzbestimmungen zu durchforsten, ist mühsam, und die Geduld hat irgendwann ein Ende. Wer wäre da nicht in Versuchung, einfach das Häkchen bei „Zustimmen“ zu setzen? Doch das kann fatale Konsequenzen haben. Am eindrücklichsten lässt sich das anhand einer Gesundheits-App zeigen, die viele Jugendliche nutzen:

Die Anbieter der Menstruations-App „Flo“ hatten Gesundheitsdaten an Facebook weitergegeben, an ein Unternehmen also, das im Sommer 2022 in die Kritik geraten war, weil es die Chats einer 17-Jährigen der US-Polizei übergeben hatte. Als der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof in den USA, Ende Juni 2022 das Recht auf Abtreibung kippte, launchten die Anbieter von Flo einen anonymen Modus – allerdings erst im September 2022. Hier auch ein kurzes Video der Deutschen Welle zu diesem Fall.

Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler im Netz nach weiteren Fällen recherchieren, in denen Datenlecks oder die unerlaubte Weitergabe von Daten den Userinnen und Usern zum Verhängnis geworden sind, und die Fälle vor der Klasse präsentieren.

Checkliste für den Umgang mit Gesundheits-Apps

Zum Abschluss der Unterrichtseinheit haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, sich in Arbeitsgruppen darüber auszutauschen, ob und wie sie ihr Nutzungsverhalten künftig verändern werden.

Jede Gruppe einigt sich dann auf drei bis fünf Regeln, die den Jugendlichen am wichtigsten erscheinen. Im Plenum sammelt die Lehrkraft die Regeln der Arbeitsgruppen an der Tafel oder am Whiteboard. Anschließend bekommt jede und jeder fünf Klebepunkte und vergibt sie nach persönlichen Prioritäten. Aus den acht bis zehn am höchsten bewerteten Regeln (gemessen an der Zahl der Klebepunkte) erstellt die Klasse eine Checkliste für den Umgang mit Apps, die die Jugendlichen künftig bei Download-Entscheidungen von Gesundheits-Apps begleitet.