ZEIT für die Schule
Vier Kinder betrachten ein Mobiltelefon
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Im Mai 2024 lief der erste „Digitalpakt Schule“ aus. Die 6,5 Milliarden Euro, die der Bund dafür seit 2019 zur Verfügung gestellt hatte, wurde vor allem in Tablets, Smartboards oder die IT-Infrastruktur investiert. Eine Verlängerung des Digital­paktes ist in Planung, wird vom Bund aber an Bedingungen geknüpft. Unter anderem sollen die Länder mehr Mittel für entsprechende Lehr­kräfte­fortbildungen einplanen. Denn laut dem Deutschen Schulbarometer 2024 fühlt sich nur etwa die Hälfte der befragten Lehrkräfte auf den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht gut vorbereitet. Wie kann es ihnen dann überhaupt gelingen, Schülerinnen und Schülern digital kompetent zu machen?

„Solange das Analoge nur durch das Digitale ersetzt wird, ändert sich die Unterrichts­qualität nicht“, sagt Klaus Zierer, Professor für Schul­pädagogik an der Universität Augsburg. Im Gegenteil: Würden digitale Medien falsch eingesetzt, seien sie sogar hinderlich. „Der pädagogische Blick auf das Lernen ist daher wichtiger denn je“, sagt der Erziehungs­wissen­schaftler. Er empfiehlt eine „kritisch-konstruktive Begleitung, die reguliert und kontrolliert, gleich­zeitig aber immer auch Gesprächs­angebote zur Reflexion und Konfrontation liefert, um Medien­mündigkeit zu erzielen“. Das setzt natürlich voraus, dass Lehrkräfte einen Wissens- und Nutzungs­vorsprung haben, wenn sie digitale Lern­werk­zeuge in den Unterricht integrieren. „Hier ist einiges aufzuholen“, sagt Zierer.

Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg
Klaus Zierer, Professor für Schul­pädagogik an der Universität Augsburg

 

Kognitive und emotionale Entwicklung an erster Stelle

Rüdiger Maas, Diplom-Psychologe und Generationen­forscher
Rüdiger Maas, Diplom-Psychologe und Generationen­forscher

Wie sieht guter Unterricht im digitalen Zeitalter aus? Diese Frage kann nicht ohne die Überlegung beantwortet werden, was für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wichtig ist. Der zunehmende Mangel an sozialen Kompetenzen und motorischen Fähigkeiten ist für den Diplom-Psychologen und Generationen­forscher Rüdiger Maas alarmierend. Auf die starke Nutzung von digitalen Medien erfolge zu wenig analoger Ausgleich. „Kinder und Jugendliche sind heute weniger geübt darin, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und eigene Ideen zu entwickeln“, sagt Maas. Wenn es darum gehe, sich Geschichten aus­zu­denken oder Texte zu interpretieren, helfe auch das beste Tablet nicht.

Eine tägliche Bildschirm­nutzung über mehrere Stunden wirkt sich bei Kindern auf kognitiver Ebene negativ aus. Erziehungs­wissen­schaftler Klaus Zierer kann beobachten, dass die Lesekompetenz im Generationen­vergleich in den letzten Jahren gesunken ist. Aber auch die Auf­merksamkeits­spannen würden immer kürzer und bestimmte Hirnareale anders geprägt. Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm, verweist auf neurowissenschaftliche Studien. Sie zeigen, dass eine exzessive Smartphone-Nutzung mit einem niedrigeren Hirn­volumen in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns einhergeht. „Diesen Entwicklungen müssen Schulen Rechnung tragen. Und zwar indem sie der unreflektierten Nutzung digitaler Medien, wie sie häufig den Alltag dominiert, etwas entgegen­stellen“, fordert Zierer.

Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm
Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm

Schule als Gegenpol zum digitalen Schwarz-Weiß-Denken

Was brauchen junge Menschen, damit sie in ihrer Persönlichkeits­entwicklung viel­seitig gefordert und gefördert werden? Christian Montag hat eine klare Antwort: „Die Dinge, die Heranwachsenden guttun, haben sich nicht verändert. Es ist die analoge Begegnung mit Menschen, das gemeinsame Spiel und das Entdecken der Welt mit allen Sinnen.“ Schule könnte darüber hinaus ein Ort sein, an dem konstruktives, differenziertes Feedback verstärkt eingeübt werde, schlägt Generationen­forscher Rüdiger Maas vor. In den sozialen Medien reiche es häufig, Ge- oder Missfallen durch einen Daumen nach oben oder ein Weiter­wischen zu zeigen. Abstufungen blieben hier aber oft aus.

Zugleich brauche es dringend digitale Kompetenzen, um beispiels­weise Fake News oder Desinformations­kampagnen zu erkennen. „Selbst für Profis ist nicht immer erkennbar, was wahr oder falsch ist“, so Zierer. „Das hat bereits und wird auch weiterhin demokratische Prozesse beeinflussen, weil die Algorithmen der sozialen Medien Menschen in eine Blase ziehen, die alles andere als inklusiv ist“, sagt er. Umso wichtiger sei eine entsprechende Qualifizierung von Lehrkräften und Schul­leitungen. Durch ihre pädagogische und damit kritisch-konstruktive Reflexion hätten sie die Möglichkeit, Orientierung zu bieten. Digitale Anwendungen könnten dann für den vertiefenden Austausch oder für kollaborative Aufgaben genutzt werden. „Gutes Lernen hängt in erster Linie nicht vom Medium ab, sondern von den Menschen“, so Zierer.

„Das Digital-Dilemma“

Ist die Digitalisierung gut oder schlecht für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen? In ihrem neuen Buch „Das Digital-Dilemma“ präsentieren die Autoren Rüdiger Maas, Christian Montag und Klaus Zierer aktuelle Ergebnisse der pädagogischen und der psychologischen Forschung und zeigen, wie gutes Lernen im Zeitalter der Digitalisierung gelingen kann.

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