Es ist spät geworden. Laptop zu und ab in die herbstliche Dunkelheit. Ich bin verabredet und bringe den Einkauf mit. Der Hunger hält sich noch in Grenzen: Zum Mittagessen gab es „Palak Paneer“ vom nahegelegenen Imbiss. Das ist ein Curry aus Basmati-Reis und einer würzigen Spinat-Rahmkäse-Paste. Jetzt brauche ich Frische und Farben: Im Supermarkt wandern Strauchtomaten, Möhren, Humus-Guacamole, Oliven, Camembert und Wurzelbrot mit Saaten in den Einkaufskorb. Zu Hause ergänzt meine Verabredung die Auswahl um Butter, ein weiteres Stück Käse und einen Salatmix.
„Wusstest du, dass das Lieblingsgemüse der Deutschen Tomaten sind?“, fragt mein Gegenüber kauend. Ich schüttele den Kopf. Wir recherchieren nebenbei: Laut Statista wurden im Jahr 2023/24 pro Kopf fast 30 Kilogramm Tomaten verzehrt. Diese Tomaten werden größtenteils importiert, vor allem außerhalb der Saison von Juli bis Oktober. Ob die Tomaten auf unseren Tellern aus Deutschland stammen? Ein Blick aufs Etikett verrät: spanische Bio-Tomaten, die Reise war also etwas länger.
Fünf Portionen Gemüse und Obst täglich – aber woher und für wen?
Wir überlegen, was jetzt Saison hat: Kürbis, Knollengemüse, Pilze und Kohl fällt mir ein. Ein Blick in den Saisonkalender erweitert die Liste um Zucchini, Fenchel, Lauch, Spinat, Feldsalat und vielem mehr. Die Auswahl aus regionalem Anbau ist noch üppig, aber nicht mehr lange. Im Winter wird es auf den deutschen Feldern karg, und trotzdem möchte niemand auf frisches, buntes Gemüse verzichten.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu essen. Doch woher soll das kommen, wenn die heimischen Böden Pause machen? Dann füllen noch mehr Importprodukte die Supermarktregale. Bequem für uns – aber was bedeutet das für die Herkunftsländer? Studien zeigen, dass fruchtbarer Boden zunehmend knapp wird. Jedes Jahr verschwindet weltweit rund 10 Millionen Hektar Ackerland, vor allem durch neue Straßen und Siedlungen.
Das Verrückte: Über die Hälfte unserer Ackerflächen wird für Tierfutter genutzt und nur ein Drittel für Lebensmittel direkt für uns Menschen. Gemüse, Obst und Getreide müssen sich also den Platz mit Tierfutter und Energiepflanzen wie Mais, Raps und Zuckerrüben teilen. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung: bis 2100 könnten es rund 10 Milliarden Menschen sein. Wie kriegen wir das hin – genug gutes Essen für alle, ohne die Welt zu überfordern?
Balance statt Verzicht: Ein Speiseplan für die Zukunft braucht Wahlfreiheit
Während wir über Tomaten und Käse diskutieren, bleibt für viele Menschen eine ausgewogene Ernährung unerreichbar. Armut, Kriege, Klimafolgen und ungerechte Handelsstrukturen erschweren den Zugang zu ausreichend und vielfältiger Nahrung. Empfehlungen für eine gesunde Ernährung sind sinnvoll – aber sie setzen Wahlmöglichkeiten voraus, die nicht überall gegeben sind.
„Schon mal von der Planetary Health Diet gehört?“, fragt mein Freund. Ich erinnere mich: 2019 veröffentlichte ein internationales Forschungsteam einen Speiseplan für die Zukunft – im Herbst 2025 liegt die überarbeitete Version vor. Die Idee: Es geht nicht um Verzicht, sondern um Balance. Wer ein- bis zweimal pro Woche Fleisch isst, Fisch nur ab und zu und öfter zu Hülsenfrüchten, Nüssen und Gemüse greift, ist schon gut dabei. Je saisonaler und regionaler, desto besser natürlich.
Ich schaue auf meinen Teller: mein bunt belegtes Brot sieht ziemlich ausgewogen aus. Beim Käse und der Butter waren wir heute großzügiger. Laut Planetary Health Diet wären 250 Gramm Milchprodukte pro Tag ideal, und mein Rahmkäse-Spinat-Curry hat da schon gut vorgelegt. Morgen dann etwas weniger.
Hier erfährt man, wie die Planetary Health Diet im Alltag umgesetzt werden kann.